02.02.02

Magdi Aboul-Kheir

Maxima am Morgen oder
Männer in Seenot

Der Wecker klingelt. 7.15 Uhr. Samstags. Mühsam ziehe ich ein Lid nach oben, während meine Gefährtin munter wie sonst nie aus dem Nachtlager hüpft. »Wassssnpassssiert?«, frage ich tonlos. Weder habe ich Dienst, noch haben sich die Schwiegereltern angekündigt. »Willem Alexander und Maxima heiraten heute«, tirilliert meine Holde. Oh je, ich schrecke hoch, ich muss zu einer Hochzeit! Hatte ich doch glatt vergessen. Ich will zum Kleiderschrank sprinten, da zieht mich eine böse Ahnung zurück ins Bett. Ich kenne überhaupt keinen Willem Alexander. Und Maxima ist ein japanisches Auto. Doch irgendwie kommen mir die Namen bekannt vor, trotz der frühen Stunde. »Wer heiratet?«, frage ich misstrauisch. Prompte Antwort: »Willem Alexander und Maxima. Der niederländische Kronprinz und seine Argentinierin. Liveübertragung ab viertel vor neun, Nina Ruge und Rudi Carrell kommentieren. Davor läuft aber schon eine Doku, Die Schöne und der Prinz.« Königliche Hochzeit, mein Samstag ist im Arsch. Stunden der Qual stehen bevor. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, um dem Klang majestätischer Hymnen und den verbalen Kommentatoren-Ergüssen über Kutschen, Schleppen und Schleier zu entgehen. Mein Geist zieht sich zurück, weit zurück, schweift in die Ferne, in die Vergangenheit. Ich rieche Seeluft, höre den Wellenschlag; und erinnere mich an eine traumatische, schrecklich-wahre Begebenheit. Es war ...

... im September 1997. Rückreise von einem Skandinavien-Urlaub. Ich befand mich an Bord einer Nordsee-Fähre. Plötzlich begann der Boden aufällig stark zu schwanken, das Schiff neigte sich zu Seite. Einbildung, dachte ich. Doch ich schaute mich um, sah mich von bleichen Männern umringt, keine Frau zu sehen. Auch meine weibliche Reisebegleitung war verschwunden. Was geschehen war? Wenige Tage zuvor war Lady Di in einen Pariser Tunnel gefahren, aber nicht wieder herausgekommen. Jetzt lief die Beisetzung live im Fernsehen. Auf der Fähre befand sich nur ein einziges TV-Gerät, in einem seitlichen Salon. In ebendiesen drängten sich nun alle weiblichen Wesen. Und da sich einige reine Damen-Reisegruppen an Bord befanden, waren sie in der Überzahl. Immer mehr neigte sich die Fähre. Verzweifelt kämpften wir Männer gegen das Kentern, retteten mit vereinten Kräften das Schiff, entgingen alle zusammen nur knapp dem grausamen Tod in der Nordsee. Die Frauen haben von all dem nichts mitbekommen. Als ich meiner Reisebegleitung später unsere heldenhafte Tat schilderte, blickte sie mich lediglich ergriffen an und hauchte: »Hast Du die vielen Blumen gesehen?«

Illustration von Martin Rathscheck

Illustration von Martin Rathscheck