02.12.07

Magdi Aboul-Kheir

Man gönnt sich ja sonst nichts: Mein 1000-Euro-Rückspiegel

Mit wenigen Dingen gehe ich so kompetent und konsequent um wie mit Defekten an meinem Auto. Gibt es ein Problem, klopft etwas hier, scheppert etwas dort, brennt hier ein Lichtlein, brennt dort ein Lichtlein nicht – bringe ich den Wagen in die Werkstatt.

Es gibt eben Themen und Fertigkeiten, die nicht die meinigen sind. Etwa die Syntax von Berberdialekten aus der Westsahara oder mikrochemische Verfahren in der Eisenhüttenkunde. Ähnlich fremd ist mir das Wesen der Kfz-Technik.

Natürlich habe ich im Lauf der Zeit einiges im Umgang mit Werkstätten gelernt. Zum Beispiel gebe ich heute nicht mehr, wenn ich meinen Volvo zur Inspektion abgebe, gefährliche Sätze von mir wie: »Schauen Sie mal nach den Bremsen, ich hab das Gefühl, da ist was nicht in Ordnung.« Oder: »Ich glaub, da tropft was.« Weil das bedeutet, dass ich garantiert komplett neue Bremsen und irgendwelche Dichtungen bekomme und vor allem bezahle. Nein, heute gebe ich mein Auto extrem wortkarg ab. Und bekomme trotzdem neue Bremsen und irgendwelche Dichtungen.

Wenn ich zu meinem Metzger gehe und 100 Gramm Salami erstehen mag, verlasse ich den Laden nur selten mit zwei Hammelkeulen und einem Pfund Schweineschmalz. Aber wenn ich wegen eines defekten Blinkers die Werkstätte aufsuche, erhalte ich einen neuen Keilriemen, ein neues Radlager und eine neue Zylinderkopfdichtung. Das gehört so, darüber darf man wohl nicht nachdenken.

Auch so etwas, über das noch nie nachgedacht habe, ist die Montage und die Stabilität von Innenspiegeln. Niemals. Der Rückspiegel ist dazu da, dass ich den Verkehr hinter mir beobachten kann, und er hängt und hält zu diesem Zweck irgendwie da oben schräg über mir. Und das tut er immerdar. Kürzlich allerdings, eines Abends, hing und hielt mein Rückspiegel nicht mehr über mir, sondern stürzte herab.

Am nächsten Morgen steuerte ich die Werkstatt an. »Das muss man kleben«, lautete das fachkundige Urteil, »und das muss eine Weile trocknen.« Erst am Mittag des nächsten Tages solle ich den Wagen abholen. Ob ich nicht die Inspektion machen wolle, die sei ohnehin fällig, wurde ich gefragt. Wenn das Auto ohnehin schon fast zwei Tage dort herumstehen würde, könnte das gleich erledigt werden. Ich bejahte und lieh mir einen Mietwagen.

Am folgenden Nachmittag kam ich zurück. Auf der Rechnung wurde der Posten »Innenspiegel angeklebt« mit 7,35 Euro aufgeführt, der dazugehörige Klebstoff mit 5,39 Euro. Die Rechnungssumme betrug allerdings 974,08 Euro, da natürlich bei der Inspektion etwas an den Bremsen gefunden worden war, nebst mehreren anderen Kleinigkeiten.

Als mein Blick durch das Fenster der Werkstattbüros auf meinen Volvo fiel, konnte ich allerdings keinen Rückspiegel ausmachen. »Der Kleber hat nicht gehalten«, sagte mir die Dame an der Kasse fachkundig, »wir haben heute nochmal einen anderen verwendet, der muss noch trocknen. Sie können morgen ja den Spiegel selbst in die Vorrichtung schieben. Das ist eine Kleinigkeit, das bekommen sie hin.«

Als ich am kommenden Tag den Spiegel selbst in die Vorrichtung schieben wollte, brach ebendiese sofort ab. Das war eine Kleinigkeit, das habe ich hinbekommen. Bei meinem Anruf in der Werkstatt erfuhr ich, dass »dann wohl auch der andere Kleber nicht gehalten hat«. Da ich ein schwedisches Fabrikat fahre, kam mir nun Pippi Langstrumpf in den Sinn. In »Pippi auf der Walze« lernt sie den versifften Handlungsreisenden Konrad kennen. »Konrads Spezialkleber« hält so gut, dass man sich ihn auf die Schuhsohlen schmieren und dann an der Decke tanzen kann. »Konrads Spezialkleber« kann man sogar in den Tank schütten, dann fliegt das Auto. Mich würde schon ein gut haltender Spiegel zufriedenstellen. Doch offensichtlich arbeitet Volvo nicht mit Konrad zusammen. Dennoch benutzt die Dame am Kundendienst-Schalter nun auch das Wort »Spezialkleber«. Einen solchen würde man jetzt bestellen, ich solle in ein paar Tagen noch einmal vorbeikommen.

Ich kam nicht noch einmal vorbei. Ich steuerte einen Baumarkt an, ließ mir einen gar nicht sonderlich speziellen, aber garantiert wirksamen Kleber für 9,95 Euro empfehlen und brachte meinen Rückspiegel eigenhändig an. Das wäre doch gelacht.

Morgen kaufe ich mir das »Volvo Service und Repair Manual« und baue meinem Auto mal selbst ein paar schöne neue Bremsklötze ein. Vielleicht nehme ich zu Übungszwecken auch mal das Getriebe auseinander.

Das wäre ein schönes Ende dieser Kolumne, freilich ist es gelogen. In Wirklichkeit fahre ich morgen wieder zu meiner Werkstätte. Um den Spiegel ankleben zu lassen. Er ist schon wieder abgefallen.