04.03.10

Magdi Aboul-Kheir

Ack, ack, wack, sagte ein Marsmensch namens Pedersen

Man muss im Leben nicht alles wissen und können, aber für die Lücken und das Versagen sollte man immer gute Ausreden haben. Oder zumindest eine gute Geschichte auf Lager.

Ich bin zum Beispiel eine große Fremdsprachenpflaume. Mein Englisch genügt kaum für das Übersetzen von »Modern Talking«-Texten ins Deutsche: »Cherie Cherie Lady« als »Kirsche Kirsche Dame«, ich weiß ja nicht. Und Französisch? No, très peinlich, »Chérie Chérie Madame«. Latein? Non, ich habe an der Uni in acht Monaten das Nötigste gelernt und dann in acht Wochen wieder vergessen; heute könnte ich mir in Rom nicht mal einen »Caesars Salat« bestellen. Arabisch? La'a, trotz meines ägyptischen Vaters werde ich auf jedem Basar zwischen Tunis, Dschibuti und Bottrop über den Tisch gezogen. Schwäbisch? Noi, hoi, noi, obwohl ich schon Jahrzehnte zwischen Donau und Iller lebe; ein Glück, dass einige Schwaben hier auch leidlich Deutsch können.

Ein Debakel also. Und Schuld daran – nun komme ich zu meiner Ausrede beziehungsweise Geschichte – ist der Sportlehrer, den ich in der fünften und sechsten Klasse hatte. Herr Pedersen war Däne, und er sprach mit uns Dänisch. Diese Sprache klang zwar zunächst ungewöhnlich in unseren Ohren, doch war sie letztlich recht leicht verständlich, und wir lernten schnell.

Wenn wir Unsinn anstellten, dann wurde Herr Pedersen abwechselnd weiß und rot im Gesicht (die dänischen Landesfarben) und schrie auf Dänisch: »Ack, lack dock dack!« Zu Deutsch: »Ach, lass doch das!«

Wenn wir die Volleybälle nahmen und mit ihnen verbotenerweise Fußball spielten, brüllte er: »Ack, niets die Wolliball kicke!« Zu Deutsch: »Ach, nicht den Volleyball kicken!«

Und wenn Herr Pedersen von meinem renitenten Mitschüler Ulrich auf die Palme gebracht wurde, erklang: »Da Ulrick! Da Ulrick! Was mackta da?« Zu Deutsch: »Der Ulrich! Der Ulrich! Was stellt er schon wieder an?«

Dänisch war also offenkundig äußerst leicht zu erlernen, was mich in Sachen Fremdsprachen stark motivierte. So kompliziert war das doch wirklich nicht, wie alle älteren Schüler stets klagten! Ich nahm mir vor, ein Sprachen-Derwisch zu werden, sah mich schon Norwegisch und Portugiesisch, Russisch und Suaheli parlieren. Mit meinen Schulfreunden unterhielt ich mich in diesen Tagen oft und gern auf gut Dänisch.
»Wack macktu heute?«
»Ack, ick weiß noch nickt! Niets mit dir!«
»Leck mick dock!«

Wochen vergingen, mein Dänisch wurde flüssiger und flüssiger. Dann war in der Schule Elternabend, meine Mutter machte ihre Runde bei allen Lehrkräften. Sie plauderte auch mit Herrn Pedersen ein paar Minuten und erstattete mir Bericht: »Dein Sportlehrer hat ja einen ulkigen Sprachfehler.«
»Wieso Sprachfehler? Herr Pedersen ist Däne!«
»Ja, aber er hat trotzdem einen Sprachfehler!«
»Ack wack, dat stiemt nickt! Hast Du verstanden? Das war Dänisch und bedeutet: Ach was, das stimmt nicht.«

Ack wack, dat stiemte aber dock. Herr Pedersen sprach tatsächlich Deutsch mit uns und kein Wort Dänisch, und ich begriff, dass einem Fremdsprachenkenntnisse nicht einfach so zufliegen. Und von da an ließ ich mich, gekränkt und geknickt, im Fremdsprachenunterricht hängen. Im Sportunterricht übrigens auch. Vor Wut kickte ich sogar Volleybälle herum.

Viele Jahre später sah ich den Film »Mars Attacks!«, eine ulkige Science-Fiction-Persiflage. Marsmännchen überfallen darin die Erde, und sie rufen die ganze Zeit schön fies: »Ack, ack!« Ich schaute ins Sprachmenü meiner DVD und stellte fest, dass ich die dänische Synchronfassung gewählt hatte. Ich schaltete auf Deutsch um. Die Marsmännchen riefen immer noch »Ack, ack!« Wer hätte gedacht, dass sie jetzt auf dem Mars Herrn Pedersen als Lehrer hatten?