04.10.04

Magdi Aboul-Kheir

Django, der Rockstar und ich

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"Der sieht aus wie Du – in gut."

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Eineiige Zwillinge werden dieser Kolumne wenig Verständnis entgegenbringen, aber da diese gnadenlos in der Minderheit sind, kann auf sie keinerlei Rücksicht genommen werden. Thema nämlich ist nichts Geringeres als die Singularität unseres Seins, insbesondere die Einmaligkeit unseres Antlitzes.

Einem Doppelgänger zu begegnen, gehört zu den Schockszenen im Drehbuch des Lebens. Völlig unvorbereitet und vor allem ungefragt wird einem der Spiegel vorgehalten, obwohl wir die Erscheinung am liebsten als Zerrbild abtun würden. Weil wir natürlich viel besser aussehen.

Mit 16 taperte ich über einen marokkanischen Hotelflur, als ich mir zum ersten Mal selbst begegnete. Meine Fresse, schoss mir durch den Kopf, und genau die war es. Denn vor allem eine physiognomische Ähnlichkeit zu diesem fremden Menschen ließ sich nicht abstreiten. Körperlich gab es signifikante Unterschiede: Der Typ war dünner, einen Kopf größer als ich, zudem wohl etwas älter. Doch er erkannte sich offenbar ebenso in mir: Er fixierte mich, wie auch ich ihn fixierte. Dann lächelte er, überheblich, wie mir schien, schließlich war er ja immerhin größer gewachsen. Das Einzige, was mich mit dieser Begegnung zu einem Teil versöhnte, war die Tatsache, dass dieser Behelfsdoppelgänger eine ziemlich ansehnliche Freundin im Schlepptau hatte; dahingehend leitete ich in meiner jugendlichen Hybris ein gewisses Potenzial ab. Dennoch bin ich nie wieder in Marokko gewesen.

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Offenbar ein südafrikanischer Hiphop- oder Rockstar.

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Jahre vergingen, das Schicksal verschonte mich mit weiteren Gesichtsdieben, und so flanierte ich mit Anfang 30 unbefangen durch eine Einkaufsstraße in der namibischen Hauptstadt Windhoek. An einem Baustellenzaun hingen zahlreiche Plakate: politische Slogans, jede Menge Werbung, die üblichen Konzertankündigungen. Und da hing ich. Meine Fresse, und diesmal so richtig. Ebenfalls kahlgeschoren, das gleiche Bärtchen, sogar mit ähnlicher Sonnenbrille. Offenbar ein südafrikanischer Hiphop- oder Rockstar. Dabei spiele ich nur Klavier. Nachdem ich die Existenz des Klons akzeptiert hatte, immerhin war ich hier ja ein cooler, angesagter, rappender Zeitgenosse, der demnächst ein gewiss längst ausverkauftes Konzert gab, positionierte ich mich den Rest des Nachmittags in unmittelbarer Nähe des Plakats – ich wollte ein paar Autogramme geben, den Leuten huldvoll zuwinken und mich dann unter Teenie-Gekreische in ein Taxi setzen, eventuell ein paar Groupies abgreifen. Allein, niemand blieb stehen, keine Sau erkannte mich, wollte was von mir wissen. Es war es eine völlige Nullnummer, dieses südafrikanische Hiphop-Alter-Ego. Ich bin nie wieder nach Namibia zurückgekehrt.

Nun ist es ja angesichts sechs Milliarden Menschen hinnehmbar, dass die Gene trotz der nahezu unendlichen Möglichkeiten Pseudo-Kopien, Ich-Plagiate und Möchtegern-Magdis entstehen lassen. Unerträglich wird es dann, wenn mit dem Menschen Spott getrieben wird. Meine Frau kam kürzlich vom Shoppen aus der Stadt zurück und sprach: »Die haben Dich aufgestellt, vor dem Friseur.« Mein Blick wurde zum Fragezeichen; als ich dann zu dem Friseur marschierte, wich dieses wohl dem Ausdruck des Entsetzens. Haben Sie sich schon einmal von einem Ihnen übel gesinnten Karikaturisten zeichnen lassen? Dann stellen Sie sich eine solche Sadisten-Skizze ins Dreidimensionale übertragen vor. Ein peinliches, ja lächerliches Werbemännchen stand da vor dem Laden, dumm grinsend, deformiert zwar, aber dennoch unleugbar Attribute meines Äußeren besitzend. Während einst in Namibia niemand die verblüffende Ähnlichkeit zu dem Rockstar bemerken wollte, entblödeten sich jetzt Passanten angesichts dieses grotesken Zwischenfalls nicht zu sagen: »Hä, hä, die Witzfigur könnte ja Ihr Zwillingsbruder sein!«

Und wenn man denkt, tiefer geht es nicht mehr, gibt es noch meine Bekannte C. – mit der sprach ich über den Kabarettisten Django Asül, und sie meinte: »Der sieht aus wie Du – in gut.«

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Hä, hä, die Witzfigur könnte ja Ihr Zwillingsbruder sein!

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