05.03.07

Magdi Aboul-Kheir

Busty, Pankratz und die Mogelpackung Emmanuelle

Emmanuelle. Durchatmen. Emmanuelle. Es war Sommer, ich war 16, was ohnehin schon vieles erklärt, und nahm an einer Auslands-Freizeit des Kreisjugendrings teil. In Frankreich. Ein Mädchen der einheimischen Gruppe, mit der wir uns ein paar Tage völkerverbindend und sprachfördernd vergnügen sollten, hörte – das entnahmen wir vorab einer Teilnehmerliste – auf den Namen Emmanuelle. Auf den Herbergsgängen machten die Jungs alberne anzügliche Bemerkungen, doch sie konnten eine gewisse Unruhe und verschwitzte Handflächen nicht verbergen. Auch ich assoziierte aufgeregt.

Emmanuelle. Sylvia Kristel erschien vor meinem geistigen Auge, der feuchte Pennälertraum der 70er Jahre, der appetitlichste Export Hollands trotz mittelaltem Gouda und Frau Antjes Playboyfotos. Emmanuelle: allein der Name ein sexuelles Versprechen, ständige Lustbereitschaft, Willigkeit des Geistes und des Fleisches suggerierend. Der warme französische Wind flüsterte mir den Titelsong des berühmten Softsexfilmchens zu: »Mélodie d‘amour chantait le coeur d'Emmanuelle ...«

Dann tauchte Emmanuelle auf. Sie konnte nichts dafür, und so schwarz auf weiß liest es sich wirklich gemein: klein und moppelig war sie, schielte leicht, hatte auch noch Stiftzähne. Und angesichts all dessen trug sie einen Namen, der sie dem Spott aussetze. Das anzügliche Fantasieren wich niederträchtigem Kichern. Dabei war diese Emmanuelle richtig nett und durchaus der Völkerverbindung zuträglich.

Warum hatten ihre Eltern sie nicht gleich Lolita oder Lulu genannt? Emmanuelle, das ist noch eindeutiger als Josephine, Angelique und Fanny. Emmanuelle, das befindet sich in einer Kategorie mit Lady Chatterley. Doch Eltern sehen in ihrem egoistischen Drang, ihren Kindern möglichst originelle Namen mit auf den Lebensweg mitzugeben, noch nicht einmal die naheliegendsten profanen Reaktionen der Umwelt voraus.

Ganz davon zu schweigen, dass sich Eltern niemals überlegen, wie ihre Kinder später als ausgewachsene Individuen mit diesem Namen Sex suchen und finden werden. Dabei sind die Konsequenzen gewaltig: Nicht jeder Name lässt sich gleich gut ins Ohr säuseln, voller Begierde stöhnen und mit schmutzigen Attributen schmücken. Wie klingt denn das: Rammel mich, Randolf! Nimm mich, Notburga! Abseitig, albern.

Wie kann man verlangen, dass ein Wolf, Hasso oder gar Pankratz sensibel und sanft vorgehen? Was passiert, wenn ein Gottlieb unkeusch wird? Was ist, wenn eine Reinhild keinen Partner findet und ein Reinhart Erektionsprobleme hat? Und wenn eine Emmanuelle, ja, Emmanuelle, eben auf den ersten Blick keine Sexbombe ist?

Gewiss sind nun werdende Töchter-Eltern verunsichert. Denjenigen, die wissen wollen, was auf keinen Fall geht, biete ich hier ein unvollständiges Porno-Vornamens-ABC: Amber, Arcadia, Bunny, Busty, Chessie, Crystal, Deidra, Davia, Ebony, Flavia, Gianne, Hylette, Ilaria, January, Joelle, Kaylan, Kristara, Lynne, Leena, Madison, Megan, Natane, Noemi, Pandora, Raven, Rhonda, Savannah, Seka, Tangi, Trini, Vali, Vivienne, Wendy, Yolanda, Zara. Wenn Sie meinen, unbedingt zu einem dieser Namen greifen zu müssen, bitte, nur zu. Ihre Töchter werden es Ihnen nicht danken. Und sagen Sie später nicht, Sie wären nicht gewarnt worden.

Doch gibt es überhaupt sexuell wertneutrale Namen für Mädchen? Natürlich, die gibt es zuhauf, zum Beispiel Margot, Corinna, Roswitha und Hildegard – gute schöne unversaute deutsche Vornamen. Dachte ich zumindest. Ich surfe im Internet und stoße auf die Feuerwehrfrau Margot (»Kann gut mit deinem Schlauch umgehen«). In der Telefonzelle klebt ein Zettelchen von Corinna, die »dich nach alle Rekeln der Kunst masiert«, bis sich wohl alle räkeln. Ich zappe im Teletext herum; dort bieten Roswitha (»Heiße Nummer, heiße Feger«) und Hildegard (»85 D und auch sonst okay«) ihre Dienste an.

Vielleicht sollte ich mir doch weniger Gedanken über Namen machen. Bekomme ich noch einmal eine Tochter, nenne ich sie vielleicht Pussy. Und einen Sohn Long Dong. Mal sehen, wie es ihnen mit 16 im Jugendlager ergeht.