05.10.11

Magdi Aboul-Kheir

Perlenbesetzte Nebenschäfte für die Innere Sicherheit

Es ist so einfach, mit einem anderen Mann ein lebhaftes Gespräch zu beginnen.
»Entschuldigung, haben Sie Nacktfotos von Ihrer Frau?«
»Nein!«
»Möchten Sie welche?«
Und schon ist man im Dialog. Es heißt zwar, mit Fremden soll man nicht über Politik, Religion und Sex sprechen, aber meiner Erfahrung nach ist das Gegenteil unterhaltsamer.

Schließlich sind wir nicht nur seit mehr als 200 Jahren aufgeklärt, sondern bereits die Kinder, ja Enkel der sexuellen Revolution, und daher enorm locker, offen, lässig. In der »Welt« las ich dieser Tage einen Bericht über einen orthodoxen Juden, der in New York einen koscheren Erotik-Online-Shop eröffnet hat.

Der »Welt«-Autor findet den orthodoxen Sexspielzeughändler allerdings nicht sonderlich locker, offen, lässig. Es sei, im Gegenteil, bisweilen erstaunliche Verbalgymnastik notwendig, um den jüdischen Reinheitsanforderungen Genüge zu tun. Als Beleg führt er folgende Beschreibung eines Geräts an: »Ein vibrierender Stimulator mit einem langen mit Perlen besetzten Schaft zur besonderen Stimulation von Körperteilen, die nicht durch das Eindringen des Hauptschaftes erreicht werden.«

Wer auch nur rudimentäre Kenntnisse von Haupt- und Nebenschäften sowie den diversen stimulierbaren Körperteilen besitzt, wird sich nun problemlos ausmalen können, um was es sich dabei handelt. Der »Welt«-Autor kommentiert den Satz mit einem ironischen »Hä?« Das freilich fällt gnadenlos auf den aufgeklärten deutschen Journalisten zurück: Der Gute weiß ganz offensichtlich nichts mit einem perlenbesetzten Nebenschaft anzufangen.

Das ist nicht nur peinlich, das ist geradezu gefährlich. Denn wer sich in unseren Gesellschaft als sexuell unkundig hervortut, wird nicht nur zum Gespött, sondern nachgerade verdächtig. Vor ein paar Monaten machte in juristischen Kreisen die Meldung über eine Datenverarbeitungsgruppe der Kriminalpolizei die Runde, also Polizisten, die beschlagnahmte Computer auf illegale Dateien überprüfen. Es ging um den privaten Rechner eines Verdächtigen, der »zum Erstaunen der Beamten« komplett pornofrei war. Ein Rechtsanwalt folgerte daraus: »Ein paar legale Pornos sollten stets auf der Festplatte eines Mannes sein – schon um die Kripo nicht ins Grübeln zu bringen.«

Ach, und ich dachte immer, der Bundesnachrichtendienst interessiert sich wegen meiner arabischen Herkunft für mich, aber nein, die sind nur misstrauisch, weil ich keine Sammlung sudanesischer Hardcore-Streifen und keine Bilder der Miss-Nude-Saudi-Arabia-Wahl auf meinem Computer habe. Und schon gar keinen perlenbesetzten Nebenschaft in der Nachttischschublade.

Wer hätte das gedacht: Pornografie ist Bürgerpflicht anständiger Menschen. Wer also von seiner Freundin oder Frau beim Betrachten pornografischen Materials angetroffen wird, mag künftig mit ruhiger Stimme sagen: »Mich persönlich langweilt das enorm, aber ich muss das anschauen, um nicht polizeilich verdächtig zu werden. Außerdem kommt nächste Woche die Steuerprüfung, da muss ich mir vorher noch ›Manege frei für den Rosettenkasper‹ und ›Pulp Fickschön‹ auf die Festplatte ziehen.«

Und in Zukunft beginnen die Gespräche so:
»Haben Sie Pornos von Ihrer Frau auf Ihrem Computer?«
»Nein!
»Sie sind festgenommen.«