06.01.09

Magdi Aboul-Kheir

Der Warzenpeter und seine Filzwurst

»Es war einmal eine Kopfmaus, die hatte einen Sitzapfel und gab ihn dem Luftriesen«, sagt meine Frau.
»Es war einmal eine Pupstante, die nahm ihren Luftlappen und schenkte ihn der Filzwurst«, kontere ich.

Das muss die geneigte Leserin und der geneigte Leser nun nicht unbedingt verstehen, auch wenn es eine Pupstante in der Verwandtschaft geben sollte. Nein, es ist kein Zeichen von minderer Intelligenz oder mangelhafter Phantasie, wenn Sie diesen Wortwechsel nicht einzuordnen oder zu entschlüsseln vermögen. Es gibt da wenig einzuordnen und zu entschlüsseln.

Die Sache liegt so: Diese dämlichen Aussagen basieren auf einem dämlichen Spiel, und dieses Spiel wiederum wird mittels eines dämlichen Plastikspielgeräts aufgeführt. Es handelt sich um ein zwei mal vier Zentimeter kleines Kästchen mit einem Knopf, ein paar Rädchen und zwei Drehscheiben. Per Knopfdruck werden die Scheiben in Rotation versetzt; auf beiden Scheiben stehen Wörter, die dann wiederum ein zusammengesetztes Wort ergeben. Auf der ersten Scheibe befinden sich Begriffe wie »Kopf«, »Tee«, »Filz« und »Pups«, auf der zweiten »lappen«, »kuss«, »tante« und »wurst«. Die zusammengesetzen Wörter – linguistisch: Komposita – lauten also »Kopfwurst«, »Filztante« oder »Pupslappen«. Das Spiel, wenn man es denn so nennen mag, besteht darin, dreimal zu drücken und aus den Begriffen einen sinnvollen Satz zu bilden. Oder auch einen weniger sinnvollen.

Also: »Die Kopfwurst schmeckt der Filztante wie ein Pupslappen.«

Das ist weder lustig noch geistreich, sondern reichlich dämlich und albern, und deswegen nennen wir das Spiel Deppenspiel. Wir wissen auch gar nicht, weshalb man das Deppenspiel überhaupt spielen sollte. Wir spielen es also nur zu besonderen Anlässen. Zum Beispiel, wenn einer von uns zufälligerweise bei Aufräumen das Deppenspielgerät findet. Dann beginnt einer »Es war einmal ein Filzriese ...« und schon gerät der andere unter Zugzwang.

Freilich bringen uns solche Ausdrücke nicht um die Ruhe, schon gar nicht um den Verstand. Schließlich benutzen wir mit der größten Selbstverständlichkeit Wörter, die unsere Kinder zur Zeit ihres frühen Spracherwerbs geprägt haben: Wir sagen noch immer »Hüüt« für Tschüss und »Hüpp« für Fisch und »Dulligung« für Entschuldigung. In unserem Haushalt gibt es den »Waldfroschjoghurt«, der nach Waldfrucht schmeckt, und wir spielen »Warzenpeter«, weil Ina den »Schwarzen Peter« einst so nannte.

Meine Frau schaut mir über die Schulter und beschwert sich, dass ich unsere infantilen Schattenseiten in der Öffentlichkeit beleuchte. Sie wendet sich ab und versucht, mich mit kruden Rätselfragen abzulenken.
»Polizeiliche Suche nach Reggaefans?«
»Rastafahndung!«
»Tätigkeit im Haushalt, die ein Hengst wahrnehmen kann?«
»Tischdecken!«
»Pflanze des Jahres in Saudi-Arabien?«
»Schleierkraut!«
»Im FFK-Club geduldetes Tier?«
»Nacktschnecke!«

Das ist mir nun wirklich zu gaga. Die Welt ist auch so schon voller Sprachschwachsinn. Das kann jeder bestätigen, der sich schon mal beim Googlen vertippt hat. »Follmond«? Ergibt mehr als 500 Treffer. »Zeckoptimismus«? 263 Treffer. Ja, der Zeck heiligt die Mittel. Oder auch die »Miettel« – 1170 Treffer. »Tampfnudel«? Zwei Treffer, einer davon mit Bild. Tampfnudel – wenn das die Bindenbrusse wüsste!

Im Teletext lese ich die Meldung: »Fremdgehbremse Überwich«. Bitteschön? Überwich wegen zu vieler Tampfnudeln? Das Kommunikationsniveau in unserer Familie ist vergleichsweise vielleicht doch nicht so verheerend. Ich rufe nach meiner Frau: »Es war einmal eine Sitzwurst ...«