06.07.04

Magdi Aboul-Kheir

Bindenbrusse mit Pfuffern und sterilisierter Gurke

»Vienne snichl«, stand auf der deutschen Speisekarte der südfranzösischen Touristenkaschemme. Mein Mitreisender R. fasste mich intuitiv am Ärmel und zog mich zum nächsten Lokal weiter. Auch hier glänzte das Menü mit alarmierenden deutschen Übersetzungen. Mein Magen knurrte, doch ließ »gebratten Hun« Hähnchen oder Hündchen erwarten? Ich erinnerte mich geängstigt an einen Italiener auf Teneriffa, der »Pizza mit Pfirch« anbot. Bis heute weiß ich nicht, mit was er tatsächlich die Pizza belegte und wo der Übersetzungsfehler lag. Pfirch klingt so, als ob es etwas mit Schafherden zu tun hat, und an eine Pfirsichpizza mag ich nicht glauben.

Es ist natürlich billig, sich auf Kosten gut gemeinter und nicht ganz so gut ausgeführter Übersetzungen lustig zu machen. Doch vielleicht helfen auch diese, Land und Leute besser kennenzulernen. Eine schäbige Erklärung, aber egal. Was bieten uns denn die neuen EU-Mitglieder kulinarisch? Hungrig blicken wir in multilinguale Speisekarten. Die Ungarn reichen »panierte Fischmilch« sowie »Fischinnereien in Tase«, aber das sättigt gewiss nicht, und auch die Beilage klingt kleinlich: »Reis mit Erbse«. In der Tschechei isst sofort die Angst mit. Hoffen wir, dass es sich bei der »Gedärmesuppe« um Kutteln handelt; aber was ist mit »Teufeltoast mit Fleischmischung«, »Steak mit Schwämmen« und bei »Geraucherter Kamm aus der hauseigenen Raucherkammer«? Ob uns »feinster Lungenbraten im eigenen Saft« bekommt? Als Beilage wählen wir vorsichtshalber »50 g sterilisierte Gurke« aus. Zur Beruhigung immerhin das: »Die Priese enthalten die Garnierung«. Doch wo sind die »gegangene Knodel« geblieben?

Da loben wir uns die gute Hausmacherkost aus dem hohen Norden: »Mutter's Frikadellen der Fleisch-klosses mit Braune sosse« aus Norwegen etwa. Klingt doch einladender als das dänische Angebot: »1 stk. Weißbrot m/altem Käse oder Gewöhnlich Käse«.

Frisches aus dem Fluss serviert der Slowake: »Forelle (noch dazu im Rohestand)«, Leckeres aus dem Meer kredenzt der Kreter: Schwerdfish, Anchoyies, vor allem aber Bindenbrusse. Was Letzteres ist, finden wir nicht heraus, weswegen uns folgende Information auf der Karte besonders misstrauisch stimmt: »Und viele andere eigens entworfene Gerichte.«

Doch wird dabei nur gekocht, gesotten und gebraten? Mitnichten, da wird gebrantet, gegraten, gekockt, gesosst und gehauhert. Eine weitere interessante Sitte ist, allerlei Mobiliar, Kochgeräte und Geschirr anzubieten: Ungarn kredenzen »Holzplatte auf Palocz Art«, die Slowaken »Barsch mit Bratpfanne« und »Getrunkener Teller, garniert«, ein deutsches Lokal in Brasilien reicht »Gewurtzter Konstanzwurstbierkochtopf«. Ganz zu schweigen von der oder dem »Wegetarianischer Schüssel«.

Wie soll man da nur satt werden? Keine Sorge, es gibt noch Kartofelenpfuffer, Sprangelbohnen, Gemustensalat, Naturrindebraten, Ramstek, Hackenfleisch, Hühnernugetten auf Stecknadeln, Huhnersote, Mandelnfullsel, Waldgemisch, Nussflung und Forrele in herb sowie Garnierung aus frischem Gemse.

Der Hunger mag nun gestillt sein, doch essentielle Fragen bleiben offen. Kann die »Laberpastete« sprechen? Macht das polnische »Ruhrei« krank? Sind »beißende Flügelchen« gefährlich? Was steckt genau in »Nudeln aus drei Fleischsorten«? Versteckt sich hinter der britischen »Weibwurst« eine sexistische Schweinerei? Verbergen sich hinter »Mohrensalat« und »Fischsippe« rassistische Ressentiments? Und was reichen uns slowakische Gastronomen, wenn wir »fegüllter Sack« bestellen? Nehmen wir lieber »Fleisch zwei Farben« oder »dreifarbige Fleischmischung«? Und wie, um Siebecks Willen, bekommt man »Gothaislami mit Zwiebeln und Essig« runter?

Natürlich bieten auch hierzulande Speisekarten denkwürdig Appetitliches, etwa »Spaketi bolonese«, »Fillet Stek mit Pomes« wahlweise »Korketten« und offenbar hundehaltiges »Chili con cane«. In der Kantine meines Arbeitgebers wird zuweilen »frishe wising« angeboten, »Mohltasche mit Schapgonsauce« und »Puten geschintzel« gereicht, die Ozeane beschenken uns da mit original echtem »Seeecht«, in der chinesischen Woche gibt es »Glassmoden«. Ganz zu schweigen von den »original italienischen Croissants«, die ein Café in meiner Stadt anzupreisen beliebt.

Nein, essen wir lieber zuhause. Ein Snichel können wir schließlich selbst in die Pfanne werfen. Es muss auch nicht immer Pfirch sein. Wobei es ja noch beim Verlassen der Lokale zuweilen spannende Angebote gibt. Ein griechisches Lokal in den Niederlanden lockt: »Ein extra Service für unsere Gäste ist ein Spielzimmer. UND ... man darf grapschen, beim weggehen«.