07.12.10

Magdi Aboul-Kheir

Wenn gar nichts mehr geht, ist immer noch eine Karriere als Tiermaler drin

Meine Tochter Dana hat ein wundervolles Bild gemalt. Zwei Kaninchen im Stall, entzückend dreinblickend. Dazu Karotten, Gras, Blätter und Streu. Auf die Zeichnung wurde noch ein Drahtgitter aufgeklebt, um die Stallszene plastisch zu machen. Herzig, süß, liebenswert. Eine begabte junge Künstlerin, mein Kind. Vielleicht sind die Ohren der Kaninchen ein wenig zu kurz geraten, aber das ist ein vernachlässigbares Detail; ein ignoranter Idiot, der sich damit aufhalten würde.

Ich komme nach Hause, entdecke das Bild auf dem Wohnzimmertisch und reagiere begeistert: »Wer hat denn die süßen Katzen gemalt?« Und schon ist die Katastrophe da.

»Das sind doch Hasen«, heult Dana. »Das sieht doch jeder.«
»Ja, das sieht jeder, das sind Hasen«, versuche ich zu retten.
»Du hast aber gesagt, das sind Kaa...aaa...aaahhh...aaatz!«
»Kaaaaninchen hab ich gemeint.«
Solche Lügen werden sofort durchschaut. Nur mit Mühe kann Dana davon abgehalten werden, ihr Bild zu zerreißen. Sie meint, es sei schlecht gemalt, hässlich. Wer keine echten Hasenohren aufs Papier bringe, sei untalentiert.

Meine kunstsinnige Tochter tut mir leid, und nach einer kurzen Internetrecherche nehme ich noch einen Trost- und Korrektur-Anlauf. »Die Ohren sind wirklich in Ordnung, mein Schatz. Es gibt Kaninchenrassen mit sehr kurzen Ohren, zum Beispiel die Zwergschnecke.«
»Das ist keine Schnecke ...!«
»Nein, so heißen die Kaninchen mit den kurzen Ohren. Oder nimm die Rasse Teddyzwerg.«
»Das ist auch kein Teddy ...«
Hoffnungslos.

»Frau«, sag ich am Abend zu ebendieser, »ich zahle jeden Monat 80 Euro an die Jugendkunstschule, und die Kinder kommen mit Bildern von Hasen nach Hause, die wie Katzen aussehen. Und das bei den bemerkenswerten kreativ-gestalterischen Genen in unserer Familie. Jetzt stehe ich da wie ein Volldepp, und Dana hat furchtbare Selbstzweifel.«
»Danas Hasen sehen überhaupt nicht wie Katzen aus. Du hast einen Knick in der Optik. Und keine Ahnung, weder von Tieren noch von Malerei. Im Übrigen ist das überhaupt nicht der Punkt.«

Apropos Punkt – und Strich. Ich solle mal einen Hasen malen, fordert sie jetzt. Ich habe keine Ahnung, was das zur Sache tut, willige aber nach längerem Generve ihrerseits ein – allein schon um zu zeigen, dass es nicht am malerischen Potenzial in unserem Hause liegt. Ich zeichne ein Hasen, derart lebensecht, dass er aus einem zoologischen Lehrbuch entsprungen scheint. Proportionen, Haltung, Blick: alles mustergültig. Wieso verdiene ich mein Geld eigentlich mit Schreiben und nicht mit bildender Kunst?
»Das sieht aus wie ein Hund«, sagt meine Frau.

Am nächsten Morgen zeigt sie den Kindern mein Hasen-Bild: »Welches Tier hat Papa da gemalt?«
»Einen Dachs«, sagt Dana.
»Einen Elefanten«, vermutet Ida.

Ich reiße ihnen das Bild aus den Händen, renne aus der Wohnung und läute bei unserem Nachbars-Ehepaar Sturm. Die beiden begreifen nicht sofort, weshalb ich ihnen mit schäumendem Mund Kritzeleien unter die Nase halte. Ich helfe nach: »Was für ein Tier sehen Sie hier?«
»Einen Löwen?«, meint er.
»Einen Bären?«, fragt sie.
»Es ist ein Tier mit H!«, helfe ich nach.
»Ein Hängebauchschwein«, rät er.
»Ach, ich weiß, das ist kein Tier, das ist eine Handtasche«, sagt sie.

Ich knalle den zwei ignoranten Idioten die Tür vor der Nase zu. Aus meiner Tasche ziehe ich einen Stift und schreibe unter meinen Hasen mit großen Lettern: »H A S E«. Ich läute nochmal. Die Nachbarn öffnen vorsichtig. »Und jetzt?«, schreie ich. »Welches Tier erkennen Sie?«
Die Nachbar schauen sich eingeschüchtern an.
»Einen Hasen«, sagt er.
Sie nickt. »Das ist ein Hase. Ganz klar.«

Na also, geht doch. Man muss nur deutlich genug malen. Ich weiß gar nicht, was meine Tochter hat.