09.05.04

Magdi Aboul-Kheir

Schöner geht's nicht: Rheingold, Schnittchenteller, Darmverschluss

Harndrang, Abflussfrei, Glühwürmchen?

Deutschland sucht. Den Superstar sowieso, den klügsten Schüler, den dümmsten Kriminellen, den nervigsten Behelfspromi, den kübelsten Böck. Ausnahmsweise sucht jetzt einmal nicht RTL, sondern der Deutsche Sprachrat. Und er sucht nicht nur, er droht an zu finden, nämlich das »schönste deutsche Wort«. Erdbeermund, Tausendschön, Pusteblume, lautet das motivierende Motto.

Milzbrand, Hundsfott, Darmverschluss?

»Muttersprachler und Deutschlerner« sollen ausziehen, um ihr allerliebstes, allerschönstes, allerkostbarstes deutsches Wort einzufangen. Ausgewählt von einer unfehlbaren Jury, soll es sich dann in all seiner Schönheit auf einer Gala präsentieren, während sich die glücklichen Finder über ein Urlaub auf Mauritius und ein vertragsfreies Handy freuen dürfen.

Holunderblütensekt, Lustgrotte, Schlabberlatz?

Ein Ingenieur aus Afghanistan schlägt schon mal »Frau« vor, aber wahrscheinlich hat er eine afghanische Frau, und ob das Regelwerk das durchgehen lässt? Loriot ist für »Auslegeware«, aber der meint das bestimmt ironisch oder zumindest süffisant und das geht ja nicht an. Immerhin geht es dem Sprachrat um die öffentlichkeitswirksame Sympathiewerbung für das Deutsche als solches. Ob »Sympathiewerbung« ein Kandidat wäre?

Lockenwickler, Hosenstall, Krustenbraten?

Wir tummeln uns auf den Internet-Seiten des Sprachrats und finden in seinen Auslassungen preiswürdige schönste deutsche Wörter wie Plenarberatung, Projektvorschläge, Sprachloyalität. Auch die Jurymitglieder stehen geradezu in persona für allerschönste Wörter, etwa Herbert Grönemeyer (»Schattenimblick«), Joseph Vilsmaier (»Ramadama«), Volker Finke (»Abseits«) und Jutta Limbach (»Bundesverfassungsgerichtsurteil«). Halt, falsch, Jutta Limbach hat sich im Interview bereits geistesgegenwärtig für »Geistesgegenwart« entschieden.

Herrengedeck, Heuschnupfen, Kaffeefahrt?

Die Wörter des Jahres? Taugen nicht: Teuro, Schwarzgeldaffäre, Reformstau. Doch lieber Kulturelles aus der Muttersprache so vieler Dichter und Denker: Rheingold, Götterfunken, Zauberberg? Der Dichter Günther Kunert plädiert für Zuneigung. Blättern wir bei anderen Lyrikern: Hoffnungsglück (Goethe), Mädchenmelancholie (Rilke), Angststurm (Stramm).

Warzenhof, Wurmloch, Hansdampf?

Das Frühstücksfernsehen sendet Vorschläge von der Straße: Frühling, Freiheit, Lokomotive, Gemütlichkeit, Schnittchenteller, Klo. Auch in Internet-Foren überschlagen sich die Vorschläger: Feierabend, Sonderwirtschaftszone, Himmelfahrtskommando, Goebbelsschnauze, Zeitgeist, Schmelzkäsezubereitung, Fisimatenten, Herzenslust, Spießbratenbrötchen. Doch weshalb werden eigentlich kaum Verben vorgeschlagen? Plärren, schweinigeln, piesacken. Und Adjektive: hinterfotzig, naturgeil, grenzdebil.

Kruzifixurteil, Dummenfang, Pissnelke?

Im August wissen wir mehr. Mehr oder weniger. Doch der schönste Vorschlag, der bislang eingegangen ist, wird ohnehin kaum mehr überboten: hmmhmhmh.