09.10.07

Magdi Aboul-Kheir

Elfmeter in Hamburg, Kotelett leuchtet im Dunkeln

Jeden Samstag befürchtet meine Frau, mit einem Schwachkopf verheiratet zu sein. Okay, das befürchtet sie nicht nur samstags, aber hier geht es vor allem um den exakten Zeitraum samstags zwischen 15.30 und 17.15 Uhr. Genauer: Es geht um meine Eigenart, die Fußball-Bundesliga mithilfe des Teletexts mitzuverfolgen. Die meisten Fans – so sie nicht ins Stadion gehen – huldigen Ihrem Lieblingssport, indem sie Premiere glotzen oder Radioreportagen lauschen; andere wählen zumindest den Live-Ticker im Internet oder lassen sich die Tor-Infos per SMS aufs Handy schicken. Ich fiebere vor einem nahezu unbewegten, schwarzen TV-Schirm mit, der nichts als ungelenke Buchstaben und Computerspiel-Ästhetik der späten 70er Jahre bietet.

Ich starre aufmerksam – meine Frau sagt: idiotisch – auf die unbewegte Teletext-Seite, auf der alle Zwischenstände der Bundesliga-Partien aufgelistet werden. Minutenlang tut sich nichts. Fällt dann irgendwo mal ein Tor, verändert sich auf der Anzeige eine Zahl, aus 1:1 wird 1:2. So elementar, aufs Wesentliche reduziert, daher so spannend, wie ich finde. Manchmal zappe ich auch zu den knappen Spielzwischenberichten. Da steht dann »Bochum stellt sich hinten rein« oder »Das Spiel wogt hin und her«. Zu sehen ist das nicht. Egal.

Überhaupt ist Teletext, mag es auch ein technischer Infotainment-Dinosaurier sein, wundervoll. Man muss nur die Schlagzeilen auf der ersten Überblicksseite lesen, schon ist man im Bild. Wie bei Bild. Mehr Wörter brauchen die auch nicht. Muss reichen. Kurze Sätze. Knapp. Punkt. Teletext.

Da gibt es prickelnde Promi-News wie »Anastacia: Babypause erst mit 70« und »Depp schlief in historischem Bett«. Zudem wird man mit Infoangeboten (»Mit eigener Bürste zum Friseur«) und Lehrreichem (»Schrift verrät die Kraft im Bett«) versorgt ...

Ist da irgendwo ein Tor gefallen? Ah, nein. Das Spiel wogt wohl noch hin und her. Und Bochum stellt sich hinten rein.

... man liest wesentliche News (»Bomben-Irrer im Park geschnappt«), erfährt das Wichtigste aus der Welt der Wissenschaft wie »Kotelett leuchtet im Dunkeln« und »Genforscher stellen sich Fragen«. Ganz zu schweigen von schlauen Gesundheitstipps wie »Unfälle auf Ski-Piste vermeiden« und »G-Punkt suchen nicht nötig«. Letzteres führt zur Welt der Erotik ...

Elfmeter in Hamburg!
Mann, ist das spannend.
Elfmeter in Hamburg!!
Wer wohl schießt?
So spannend!
Vorbei. Ui, das war knapp.

Wo waren wir? Genau, Sex. Auf der nüchternen Teletext-Oberfläche lesen sich Aufgeil-Sätze wie »Extrem-Lauschen mit der Megaabganggarantie« und »Zierliche Türkinnen ohne String« gleich nochmal so scharf. Was geht über das »Sklavengericht der Lady M., nichts für schwache Nerven«? Nur noch die Fußball-Aufregung!

Jetzt ist schon zehn Minuten lang kein Tor gefallen. Das Spiel wogt noch immer hin und her. Abwechslung? Natürlich: »Heißer Dildo tanzt zur Musik« – »Tipp! Extremer Stallerziehung lauschen« – »Lüsterne Eva erteilt X-Unterricht. Erwartet brünstige Rute. Unzensiert.« – »Strenge Lady Herta mit baumelnden Hängern läutet Deine Glocken«.

Aus Original-Teletext-Meldungen habe ich sogar ein Gedicht kompiliert. Ich habe Zeit, es hier wiederzugeben, da sich in den Stadien offenbar nichts tut:

»Blaskonzert extrem
Hose auf! In 30 Sek fertig!
Hose auf, Hand rein! Ohne Wartezeit
Kannst Du lecken wie Lassie?
Wähl 11896 und verlange Analia«

Halt, Tor! Tooor! 2:2. Mann, ist das aufregend.