11.11.01

Magdi Aboul-Kheir

Versuch über den FilmFilm. Für GuidoGuido

Die Postmoderne im allgemeinen und das Privatfernsehen im besonderen hält für denkende und fühlende Wesen zuweilen perfide Prüfungen bereit. Nun hat es Mitkolumnisten Guido erwischt. Der FilmFilm setzt ihm zu. Was verständlich ist. FilmFilm. Von einem Sat.1-Marketingverbrecher oder Programmdirektoren in einem Anfall geistiger Diarrhoe in die Welt gesetzt – und keiner weiß, was es bedeuten tun mag. Erklärt den FilmFilm, fleht Guido, offensichtlich am Ende, am Ende seiner Kolumne »Bohlens Ex-en und RTL II auf Fernsehpreis-Kurs«. Hier einige Lösungsansätze.

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Stellen wir uns zunächst einmal geistig schlicht. Ist ja nicht so schwer und wird der Sache Privatfernsehen gerecht. FilmFilm bedeutet dann einfach zwei Filme. Dieser Befund erscheint durch die Science-Fiction-Epen untermauert, die uns Sat.1 als FilmFilm vorsetzt. Allerdings erweisen sich die schon bei oberflächlicher Betrachtung als profane Star-Trek-Doppelfolgen. Galaktischer Etikettenschwindel also! Fernsehen aus den Tiefen des Wurmlochs und der Weite des Deltahydranten.

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Zweite Vermutung: FilmFilm ist ein besonders langer Film. Das stimmt. Selbst 70-Minuten-Dumpfkrimis werden durch großzügige Werbepausen zu Monumentalschinken. Und da sie dann so lang sind, rechtfertigt das wiederum weitere Werbepausen. Echt clever. Allerdings müssten »Die Zehn Gebote« dann als FilmFilmFilmFilm laufen. Von Syberbergs Hitler-FilmFilmFilmFilmFilmFilmFilmFilmFilmFilmFilmFilm ganz zu schweigen. Aber den zeigt Sat.1 ja nicht, lieber was mit Babystrich.

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Zwischendurch mal eine kühne These: FilmFilm bezeichnet besonders gute Filme. Hm.

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Nähern wir uns dem Problem wissenschaftlich und wählen den philologischen Ansatz. Die unmittelbare Wiederholung eines Wortes ist eine klassische rhetorische Figur: die Geminatio. Wir erfahren im Sprachlexikon: »Die Geminatio wird zwecks stärkerer Betonung benutzt.« Beispiel: »Schäker, Schäker, grinste mit gehobenem Finger das schamlose Weibchen, welches mich aufmerksam beobachtet hatte.« Das klingt zwar auch irgendwie nach Sat.1, Babystrich etc., ist aber von Conrad Ferdinand Meyer und hilft uns nicht weiter.

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Historisch-germanistische Betrachtung. Klopstock versorgt uns mit der Geminatio »Ach so tief, so tief ist die Sonne heruntergestiegen.« Auch das erscheint im Zusammenhang irgendwie passend, FilmFilm sotiefsotief, aber erklärt noch nicht einmal Kai Pflaumepflaume.

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Bei Paul Celan werden wir ebenfalls fündig. Seine 'intensivierenden Wiederholungen', Verdopplungen wie »immerimmer«, sind allerdings, behaupten Literaturwissenschaftler, von der hebräischen Sprachstruktur geprägt. Was das mit dem FilmFilm zu tun hat? Nix. Null. Obwohl Celan so kluge Sachen gedichtet hat wie (sinngemäßes Zitat): »Wer die Steine sprechen hört, weiß: Es werden nur Steine bleiben. Wer die Menschen sprechen hört, weiß: Es werden nur Steine bleiben.« Und das, obwohl es zu Celans Zeiten noch gar keine Sat.1-Programmdirektoren gab.

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In einer Rhetorikschule erfahren wir: Bei der Geminatio kann auch zwischen den verdoppelten Wörten ein Sinnabschnitt enden. Stimmt nicht, zumindest im Falle des FilmFilms. Da endet der Sinnabschnitt schon viel früher. Noch vor dem Frühstücksfernsehen.

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Jetzt hilft nur noch Kultur- und Trendforschung. Unsere These: Was ist das Privatfernsehen denn anderes als ein Abbild des Pop-Zeitalters? »Pop«, so schreibt Dieter Mersch in »Ästhetik und Kommunikation«, begnüge sich »mit der bloßen Verdopplung«! Na also. »Pop« bediene sich der »Wiederholung, der Verfielfältigung, der Serialisierung«. Sat.1 ist uns ins Netz gegangen! »Sein Vokabular ist die Kopie, seine Methode das Zitat, seine Strategie die Persiflage.« Das erscheint nun doch etwas zu hoch gegriffen. Aber dann das: Pop sei Banalität, Massenware (wir sind auf der richtigen Spur), die Stilisierung der Affirmation(!). Er erhebe keinen Anspruch auf Sinn (Guido, hörst Du?), verweigere die Alternativen. Die Semantik der Unterhaltungsindustrie dominiere und neutralisiere ohnehin alles, wir erlebten die Verharrung im Bann der Massenkultur. Und nun ganz im Original, denn diese Pop-Definition scheint speziell für Sat.1 und den FilmFilm geschrieben zu sein: »Freilich folgt daraus keine Kritiklosigkeit, sondern ein Lachen, das sich lakonisch und kommentarlos im Akt der Wiederholung erschöpft, um der derart gespiegelten Wirklichkeit ihren Ernst und ihre Würde zu rauben. Als Wiederholung beruht sie dabei bereits auf der Wiederholung einer Wiederholung; sie redupliziert das Klischee, sie multipliziert das Standardisierte und plagiiert die Stereotype.« Guido! GuidoGuido! Kogel, Warhol, Campbells Suppendosen, Nathalie auf dem Babystrich, Star Trek, alles eins, alles Pop, Sat.1-Gepoppe sozusagen.

Wir folgern und schließen: Der Titel FilmFilm ist der perfekte Kommentar zu seinem Inhalt. Es handelt sich um die intellektuelle Selbstbestätigung des Privatfernsehens auf hohem zeitgeistigem Niveau. Wer diese Wahrheit nicht verträgt, sollte ausschalten. Am besten ausaus.