12.06.06

Magdi Aboul-Kheir

Li-la-lustig bis zum Gi-ga-geht nicht mehr

Mütter und Väter werden des öfteren Opfer widriger äußerer Umstände, einige Einbußen in der Lebensqualität haben sie jedoch ganz allein zu verantworten. Zum Beispiel, wenn der Vater mit der Tochter zum Auftritt eines populären Kinderliedermachers marschiert, weil er es nicht besser weiß. Beziehungsweise weiß er es schon besser, aber er geht trotzdem mal hin, kann ja nicht schaden. Denkt er.

Detlev Jöcker ist in der Stadt, obwohl sie ihm nichts getan hat. Dana und ihr naiver Papa treffen 45 Minuten vor Beginn der Show ein, doch gibt es nur noch ein paar wenige freie Plätze im hinteren Drittel der Halle. Der Saal fasst gut 800 Zuhörer, »Menschen über drei«, wie sie von der Kinderunterhaltungsindustrie genannt werden. Jöcker füllt die Halle in der mittelgroßen Stadt an einem Nachmittag zweimal. Ein Akkordarbeiter musikalischer Fröhlichkeit.

Nach einer kurzweiligen Dreiviertelstunde voller Genörgle, Getobe und Gekreische geht es auch schon los. Sofort herrscht putzmuntere Stimmung im Saal, kein Wunder, der Detlev eröffnet das Programm mit einem echten Waschlied, »Wischi wischi waschi wischi!« Ja, sauber, denkt sich der Vater, und den Refrain hat er ganz schnell wischi waschi intus: »Di di di dip dip. Di di di dip dip. Di di di dip dip. Yeah!«

Der Detlev ist natürlich nicht allein, da kommt auch schon di di di dip dip die Si-Sa-Sangemaus, ihres Zeichens auch Ti-Ta-Tanzemaus und Kri-Kra-Krabbelmaus. Fehlt nur der kleine Tanzbär Schubidu, aber der hat heute wohl frei. Nette Lieder ertönen da, allerdings sind sie nicht wirklich harmlos, da der Vater sie nicht mehr aus dem Ohr bekommt. Schon hört er sich überraschend textsicher mitsingen, zum Beispiel so: »Die Brillenschlange Shalala tanzt jeden Tag auf dem Basar. Ah ha ha ha ha ha ha!« Oder: »Wir sind aus weichem Gummi und tanzen einen Flummi.«

Da der Papa gern einen Flummi tanzt, wie er jetzt merkt, und nicht völlig zynisch ist, kann er natürlich kaum etwas gegen die positiv-mitmenschelnde Botschaften vorbringen, wie »Versuchs doch mal mit Pünktlichkeit« und »Zusammen geht es besser«. Dass da einer singt, man solle nur mit Helm Rad fahren, erfreut den Erziehenden. Und auch hier fallen die Eltern begeistert mehrstimmig ein: »Bitte sehr und danke schön, so kann man sich gut verstehen.« Dankeschön, dankeschön, di di di dip dip.

Der Detlev und die Sangemaus haben noch tatkräftige Unterstützung dabei, Arabella Wirbelwind nämlich, die vor lauter Wirbel nicht immer alle Ti-Ta-Töne richtig trifft; und ein Clemens steht auch noch im Eck, der bedient knöpfchendrückend den Musikcomputer. Pop-, Schlager- und Discostampf aus der Ka-Ka-Konserve, mäkelt der Papa kleinlich, es wäre doch netter, wenn der Detlev den Kindern wirklich Freude am Musikmachen vermittelte, mal zur Gi-Ga-Gitarre griff, mit Schli-Schlo-Schlagzeug und Bi-Ba-Bass live spielte. Ach was, die 800 »Menschen über drei« stören sich nicht dran, der Ki-Ka-Konzertsaal tobt, da erlebt der »Orang Utan vom Wunga-Wonga-Wald« spannende Abenteuer, da geht es tierisch durcheinander, der Hund bellt »mäh«, der Esel schreit »Wau Wau«, doch der Detlev sorgt wieder rasch für Ordnung, miau, brrrrr, täräää. Die Tiere tanzen, »schliche schlumm schlumm schlumm und rundherum«, da jubeln Arabella und die Sangemaus, und wir tanzen mal wieder einen Flummi.

Dann packt der nette Berufsjugendliche erst seine ganz großen Hits aus, die mit dem »Wackelpudding« und der »Pizza in den Haaren«. Der Papa muss nun ein wenig aufpassen, sonst fi-fa-färbt das alles zu sehr ab, aber da muss er nunmal durch als Erziehungsberechtigter. Da er irgendwann schön vor lauter Flummis in der Birne wi-wa-weichgekocht ist, shalala, ah ha ha ha ha ha ha, kauft er sich – und nun kommen wir zu den nachhaltigen Einbußen der Li-La-Lebensqualität – noch ein paar CDs und Ki-Ka-Kassetten für zuhause und unterwegs, auf dass der Orang-Utan vom Wunga-Wonga-Wald und die Kri-Kra-Krabbelmaus Stammgäste in seinem Leben werden, da ri-ra-rollt der Ri-Ra-Rubel für den Detlev und wir haben den Si-Sa-Salat, wischi wischi waschi wischi und täräää, di di di dip dip. Yeah!

Diese Kolumne finden Sie auch in Magdi Aboul-Kheirs Buch »Papa fertig!« – zusammen mit einer großen Auswahl der beliebtesten Kolumnen (in neuen, teils stark erweiterten Fassungen), aber auch etlichen neuen Texten.