Der kleine Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigt sich – spätestens unter dem Weihnachtsbaum. Frauen zu beschenken, ist eine auch für phantasieverarmte Zeitgenossen zu bewältigende Aufgabe. Heißt es. Doch fast jeder hat auch (mindestens) einen Vater/Bruder/Onkel/Sohn, Unzutreffendes bitte streichen, und allein der Gedanke, diese bescheren zu müssen, löst selbst bei kreativ-weihnachtsbeseelten Menschen Panikattacken aus. Zunächst werden ein paar peinliche Notideen hervorgekramt (Schlappen, Manschettenknöpfe, Taschenmesser), dann wird beschämt geschwiegen und das Problem bis zum Morgen des 24. Dezember verdrängt.
Aber das muss nicht so sein. Moderne Versandhäuser bieten schließlich weltweit abrufbare Konsumgüter. Und die besten von ihnen teilen ihre oft dostojewskiromandicken Kataloge in Kapitel ein: »Edle Geschenke« (schnell weiterblättern) und »Geschenke unter 10 Mark« (für die Oma) und, tatsächlich, »Geschenke für Ihn«.
Und dass niemand glaubt, da findet sich wieder nur Schlappen, Manschettenknöpfe, Taschenlampen oder ähnlicher Ramsch. Nein, hier werden wir Männer in unseren weihnachtlich-materiellen Sehnsüchten ernstgenommen. Nie wieder Manschettenknöpfe.
Greifen wir also einfach mal zum Katalog »Waschbär – Der Umweltversand« und schwelgen in dem »Angebot für Ihn«. Natürlich finden sich da auch die üblichen »Kombi-Korkenzieher«, »klassische City-Socken« und »Weinthermometer, quecksilberfrei«. Aber dann geht es richtig zur Sache. Da wäre die »Wasserwaage mit Schraubendreher. Mit einfachem Wechsel-Stecksytem«, für 16,90 Mark. Na, ist das was? Da geht dem Opa auf seine alten Tage doch das Herz auf. Noch besser: Die »Rückenschilder für Aktenordner«. Fünfer-Set für deutsche Norm-Ordner, 59,90 Mark, »verwandelt jeden alten Ordner in ein Designobjekt« – wenn der Papa da nicht strahlt! Und das ist noch nicht alles, zur Krönung gibt es die »Multi-Kopfleuchte«, 19.90 Mark. Hoher Tragekomfort durch einstellbares, elastisches Kopfband. Was das bedeutet? Das bedeutet dankbare Männer, glückliche Männer.
Ich sehe mich schon am Heiligen Abend nach der Bescherung. Sitze glückszitternd in meinem Arbeitszimmer. Verwandle meine No-Name-Ordner dank meiner neuen Rückenschilder in Designobjekte. Anschließend richte ich mithilfe meiner gerade ausgepackten »Wasserwaage mit Schrauberdreher. Mit einfachem Wechsel-Stecksytem« meine Regale im Lot aus. Das alles schaffe ich, ohne das Licht anzuschalten. Denn von meinem Schädel aus wirft die »Multi-Kopfleuchte« ihr herrliches Licht ins Arbeitszimmer. Ich erfreue mich noch ein wenig an meinen Designordnern, meinen perfekt ausgerichteten Regalen und genieße den hohen Tragekomfort des einstellbaren, elastischen Kopfbands. Dann knipse ich den Hirnscheinwerfer aus, sitze ein wenig im Dunklen und weine.