13.12.11

Magdi Aboul-Kheir

Der schöne Brad und wir alle anderen

Der Mann mit dem verfilzten Ekelbart säuft, sabbert und schwitzt.
»Der ist vielleicht eklig«, entfährt es mir. Das ist ein Fehler.
»Psssst«, maßregelt mich Elfie.
»Klappe!«, blökt Anne, »du hast keine Ahnung.«
»Du bist ja nur neidisch«, sagt meine Frau, »und jetzt sei still.«

Der Mann mit dem Filzbart ist Brad Pitt. Meine Frau, zwei ihrer Freudinnen und ich sitzen vor dem Fernseher und schauen den ziemlich mittelmäßigen Thriller »Kalifornia« an, der nach Meinung der Umsitzenden überhaupt nicht mittelmäßig ist. Vor allem, weil es ein Brad-Pitt-Film ist. Der Brad geriert sich darin wie ein bösartiger Vollkretin, der gerade einem Gurkenfass entsprungen ist, und er sieht auch so aus. Verkommen, versifft, vergammelt. Aber das darf ich nicht sagen. Ich hab ja keine Ahnung. Und bin nur neidisch.

Diskutieren Frauen darüber, welche Stars attraktiv zu finden sind, gilt für Männer, die anwesend, zufälligerweise selbst jedoch keine Stars sind: Klappe halten, Demut zeigen. Äußerungen wie »Der wirkt nur im Film so cool« oder »Der ist gerade mal 1 Meter 72« werden als unguter Mix aus Missgunst, Minderwertigkeitskomplex und mangelnder Souveränität interpretiert. Die Ausnahme ist Tom Cruise, da sehen auch die Frauen ein: Der wirkt wirklich nur im Film cool, wenn überhaupt, und ist noch nicht einmal 1,72. Aber den meisten geht es nicht um den Tom. Den meisten geht es um den Brad.

Wird man hingegen als Mann von einer Frau gefragt, welche Schauspielerin man attraktiv findet, betritt man ein anderes heikles Themenfeld. Es ist nahezu egal, welchen Namen man nun anführt, die Antwort wird lauten:
a) »Was findet Du denn ausgerechnet an DER?«
b) »Was, DIE blöde Riesenzicke?«
c) »Du weiß aber schon, dass an der KEIN Körperteil mehr echt ist!«
oder eine Kombination aus diesen Möglichkeiten. Wenn man Meryl Streep oder Diane Keaton nennt, heißt es: »Nein, im Ernst«. Taktische Ausweichmanöver, wie etwa »Ich finde, Cate Blanchett ist eine tolle Schauspielerin«, werden nicht toleriert und gekontert mit »Ja, klar, aber wen findest Du sexy?« Wenn man sich schließlich, in die Enge getrieben, dazu hinreißen lässt, Charlize Theron, Scarlett Johansson oder Angelina Jolie zu sagen, wird es so richtig ungemütlich. Besonders bei der Jolie, weil die ja den Brad besetzt hält.

Wendet sich die Unterhaltung männlichen Promis zu, werden noch einige zusätzliche Minen auf das Feld gelegt. Weil ich ja keine Ahnung habe, siehe oben. Doch im Laufe der Jahre habe ich gelernt, Größe zu zeigen. Oder diese zu simulieren. Früher sagte ich immer »Errol Flynn« oder »Sean Connery«, aber damit kommt man heute nicht mehr durch. Derzeit versuche ich, mit einem lässigen »George Clooney« das Gesicht zu wahren. Eine schlaue Wahl, denn der George gilt zwar als Beau, ist jetzt aber 50, hat weiße Haare, leidet unter Migräne und macht Werbung für überteuerte Kaffeemaschinen. Ich behalte also meine Selbstachtung. Ja, und bin ich wirklich gut drauf, lasse ich sogar Robbie Williams ins Spiel kommen oder wahlweise Johnny Depp, die sind beide bei allem Sex-Appeal irgendwie drollig und wollen nur spielen. Wollen sie doch, oder?

Wenn ich Glück habe, bin ich nun erlöst und gehe als akzeptables männlich-souveränes Element der menschlichen Gemeinschaft durch. Habe ich Pech, ertönt nun die Frage: »Und wie findest Du den Brad?« Wie ich den finde? Ja, wie finde ich das wohl, dass der Typ mit angeblich 48 noch immer wie das dreiwettertaftige Knackarsch-Wachbrettbauch-Jeansmodel herumläuft? Wie finde ich das, wenn so ein Traumfabrikgeschöpf den Maßstab verzerrt, an dem ein normal verwitternder, eintrübender und der Schwerkraft Tribut zollender Mann gemessen wird?

Was für eine Freude also, meiner Frau eine im Internet gefundene Liste mit den unerotischsten Männern der Welt unter die Augen zu halten. Auf Platz 100: Brad Pitt. Der mangelnden Hygiene wegen. Meine Frau lacht: »Dann würd' ich ihn von Kopf bis Fuß abseifen.« Aha, so läuft das also: Wenn ich stinke, bin ich ein elender Stinker. Wenn Brad Pitt stinkt, ist es noch immer Brad Pitt und man geht mit ihm duschen.

Doch ich gebe nicht auf und lese ihr eine andere Schlagzeile vor: »Von wegen Sexgott. Jerry Hall findet Pitt nur klasse, weil er ein toller Vater sei.« Meine Frau schaut verklärt: »Ach, genau, Papa ist er ja auch noch. Und gleich sechs Kinder!« Ich sehe ein: Ein Vater bin ich zwar auch, aber nur von zweien, und ansonsten habe ich keine Ahnung, und gegen virulente Pittitis ist sowieso kein Kraut gewachsen. Höchste Zeit, die eigenen Grenzen anzuerkennen. Ich senke den Blick und murmele: »Ich bin ja nur neidisch.« Und soll bloß keiner annehmen, ich sage das mit einem Schielen auf Angelina Jolie.