14.01.07

Magdi Aboul-Kheir

Wie auch Erziehungsberechtigte die anale Phase überwinden

Es gibt die orale Phase, es gibt die anale Phase, und zuweilen gibt es eine Kombination aus beidem. Geht alles glatt, lassen wir all das irgendwann hinter uns und werden zunächst verklemmte Jugendliche und später freudlose Erwachsene. Bei manchem geht es nicht glatt, ich zum Beispiel habe mir eine Affinität zu körpersaftigem Humor erhalten. Damit meine ich nicht die Furz-, Fellatio- und Fäkalwitzchen aus amerikanischen Teenie-Filmklamotten. Die langweilen mich, aber ich habe doch eine Freude an latent peinlichen Situationen, die mit physiologischen Funktionen aller Art zu tun haben. Vielleicht bin ich als halborientalischer Gynäkologensohn diesbezüglicher einfach deftiger sozialisiert worden. Meine Frau meint, ich könnte mit bald 40 nicht immer noch mein Heranwachsen als Frauenarzt-Spross für alle meine Charakteruntiefen heranziehen. Da muss ich ihr zustimmen. Aber da so mancher deutscher Comedian mit genau solchem Humor die Hallen füllt, entgegne ich ihr, sie dürfe sich nicht zu sehr beklagen; andere würden dafür sogar Eintritt zahlen.

Du stinkst im Gesicht nach Dünnpfiff, sage ich eines Tages zu meiner Frau. Natürlich sagt man sowas nicht, das ist gar nicht nett, selbst wenn es stimmt. Dabei stimmt es gar nicht wirklich, es riecht nach ihrer »natürlich tönenden Tagespflegecreme mit ausgesuchten Pflanzenzubereitungen in öliger und wässriger Form«. Zwar könnte es sich bei den ausgesuchten Pflanzenzubereitungen um Auszüge schlammiger Sumpfgräser, faulen Kohls und zersetzter Algen handeln, aber Tatsache ist, dass die Creme, wenn sie frisch aus der Tube kommt, nicht sonderlich unangenehm riecht. Unangenehm riecht sie erst auf dem Gesicht meiner Frau, und das festzuhalten, ist wie gesagt gar nicht nett. Zumal das Gesicht meiner Frau als solches durchaus angenehm in der Nase ist. Natürlich wird jeder Chemiker bestätigen, dass sich um irgendeine Reaktion handeln wird, dass sich Gerüche auf menschlichem Gewebe nun mal individuell unterschiedlich verhalten und verändern; wenn ich einen milden Ziegencamembert verspeise, so betont meine Frau wiederum, stänke ich aus dem Mund (sie sagt: Maul), als ob ein Bock darin seine Notdurft verrichtet habe (sie benützt eine andere Wortwahl).

Meine Frau hat sich also mit dieser Form von Humor arrangiert, was aber nicht den Schluss zulässt, dass sie immer lacht, wenn ich derbe Sprüche reiße. Es ist eher eine Art der freundlich nachsichtigen bis eher missmutigen Duldung. Als sie eines Tages nach Erbrochenem riecht, frage ich sie, ob sie die Hautcreme gewechselt hat. Das ist zum Beispiel ein Fall, wo auch die Sache mit dem Gynäkologensohn als entschuldigender Hinweis nicht mehr funktioniert. Und mit den hochbezahlten Comedians brauche ich da auch nicht anzukommen.

Wenn man Kinder erzieht, sollte man sich sowieso ein wenig am Riemen reißen. Aber keine Angst: Falls einem das nicht gelingt, wird man von seinem Nachwuchs dazu erzogen. Auf die harte Tour.

Meine Frau will sich die Haare tönen; ich habe den Auftrag, die Farbpackung rötliches Braun aufzutragen und einzumassieren. Zu diesem Zweck streife ich Plastikhandschuhe über, und als die zweieinhalbjährige Ida ins Bad kommt, noch bevor ich angefangen habe, schlägt meine Vorliebe zu exkrementalen Witzeleien mal wieder voll durch. Ich tauche, ohne dass Ida es sieht, meinen rechten Zeigefinger in die braune Masse und tue dann so, als ob ich den Finger aus dem Gesäß meiner Gattin ziehe. Ida wirft mir einen ebenso ungläubigen wie entsetzten Blick zu und ruft –

An dieser Stelle muss ich einfügen, dass unser Haushalt des öfteren von Kinderhörspielen aus der »Connie«-Reihe durchschallt wird. Der Refrain des Titellieds geht so: »Das ist Connie, Connie mit der Schleife im Haar.« Diese Passage wird freilich undeutlich, ja missverständlich intoniert, sodass wir immer aus voller Brust mitsingen: »Connie mit der Scheiße im Haar«.

Ida wirft mir einen ebenso ungläubigen wie entsetzten Blick zu und ruft: »Papa, der Mama nicht Kacka ins Haar tun!«
»Nein, nein, mein Schatz, ich hab nur Spaß gemacht.«
»Papa, der Mama nicht Kacka ins Haar tun!«
»Nein, mein Schatz, das ist kein Kacka, das ist Haarfarbe.«
»Papa, der Mama nicht Kacka ins Haar tun!« Nichts zu machen. Man erinnere sich: Dies ist das Kind, das mich mit »Cortez« in einen gebrochenen Mann verwandelte.

Am Abend heißen wir Gäste willkommen. Eine gediegene Runde, die Kinder sausen herum, alle haben Spaß. Bis unsere Gäste nichts Dümmeres zu tun haben, als auf das Thema Haarfarbe zu kommen. »Ein schöner Farbton«, sagt unsere Bekannte zu meiner Frau und deutet auf die frisch getönten Locken. »Ist da Henna drin?« Die Antwort kommt von Ida: »Papa der Mama Kacka ins Haar getan!«

Diese Lektion habe ich gelernt.

Diese Kolumne finden Sie auch in Magdi Aboul-Kheirs Buch »Papa fertig!« – zusammen mit einer großen Auswahl der beliebtesten Kolumnen (in neuen, teils stark erweiterten Fassungen), aber auch etlichen neuen Texten.