15.10.09

Magdi Aboul-Kheir

Wie man den Papst zum Konvertieren bringt

Dieser Text dreht sich um Religion. Ich fang aber doch mal beim Sex an, weil mir das leichter fällt.

Zum Umgang mit der Religion habe ich tatsächlich eine ähnliche Haltung wie zu Sexuellem: Soll doch jeder in seinem Gemach gemächtig treiben, was er mag, aber ich will nicht andauernd zu Verrichtungen aufgefordert werden, auf die ich keine – im wahrsten Sinne des Wortes – Lust habe. Beten und beten lassen und beten sein lassen, das ist mein liberales Motto. Jeder soll sein Seelenheil suchen und finden, wo und wie er es mag, solange er seine Umwelt damit nicht nervt oder gar schadet.

Das Problem ist aber: Man wird nicht in Ruhe gelassen. Weder spirituell noch sexuell. Natürlich kann man gemailte Aufforderungen wie »Hämmern die Frau Nachbar's jetzt!« oder »Triff Bohr-Direktor seine Sekretärin« oder auch »Hausfrau Streichfetten ihren Beinen in der Küche« einfach ignorieren, schon aus Gründen der Sprachhygiene. Und dem Wachtturm kann man die Tür vor der Nase zuschlagen.

Das Ärgerliche ist aber, dass alle so tun, als ob sie einem einen Gefallen machen oder eine Freude bereiten wollen. Oder als ob man etwas umsonst bekommt, das eigentlich unbezahlbar ist. Als Student stolperte ich mal durch den U-Bahnhof Münchner Freiheit, als ein zotteliger Typ freudestahlend auf mich zukam. Er stank aus dem Mund und hielt mir einen Stapel Bücher unter die Nase, Bücher mit bunten Umschlägen, auf denen ich Regenbogenfarben und verschnörkelte Lettern wahrnahm – geistlich angehauchte Erbauungs- und Erleuchtungsliteratur. »Die will ich dir schenken«, sagte er und strahlte noch mehr, so als ob er mich gerade zu einem Lottomillionär machte. Ich wirkte wohl zu wenig euphorisiert, woraufhin der Typ noch eine Schippe mehr Glücksseligkeit drauflegte. »Ehrlich, ich schenk sie Dir. Ganz tolle Bücher, steht viel drin über das Leben und so.« Er drückte sie mir in die Hand. »Hast Du etwas Kleingeld?«, fragte er mich, »wir sind so eine Gemeinschaft und leben mit vielen Tieren und so, hast Du etwas Kleingeld für Futter? Kriegst ja auch die Bücher und so.« Ich öffnete meinen Geldbeutel, fischte im Münzfach umher. »Haste keinen Schein oder so?«, fragte der Typ, die Fröhlichkeit schwand aus seinem Antlitz. Ich schloss meinen Geldbeutel – der Zusammenhang zwischen Schenken und der Herausgabe von Geldscheinen erschloss sich mir nicht so recht. Der Typ riss mir die Bücher aus der Hand und wandte sich grußlos ab, wohl dem nächsten Menschen zu, dem er etwas schenken wollte und so.

In den Zeiten des Internets hat sich das Geschäftsgebaren noch zugespitzt. Vor Jahren schilderte ich in einer Kolumne, wie ich für meine Frau den israelischen Film »Life according to Agfa« auf DVD suchte. Schließlich wurde ich bei einem Online-Händler in Tel Aviv fündig. Ich bestellte also den Film für 14,95 Dollar plus 19,95 Dollar Versandkosten, um in Sachen rechtzeitige Ankunft zum Gattinnengeburtstag sichergehen zu können. Was nicht rechtzeitig ankam, trotz sogenanntem »Express-Shipping«, war der Film. Was seitdem reichlich ankommt, sind Werbemails aus dem Heiligen Land – und da geben sich Kommerz und Glauben gleich wieder die Hand. Zum Beispiel soll ich mir »trendy biblical-style sandals« zulegen, Listenpreis 59,95, mein Preis 29,95, wahrscheinlich zuzüglich 120 Dollar Express-Shipping, damit die Sandalen nicht zu Fuß nach Deutschland kommen müssen. Das soll einem die Erfahrungen wohl schon wert sein, denn: »Feel the soft leather lining and flexible sole, the Biblical experience at its best«. Die wollen mir Schlappen andrehen und kommen mir mit der Bibel. Und dazu: »Get your very own Shofar from Israel«. Das wird meine Nachbarn freuen, wenn ich ins Widderhorn blase.

Womit wir gleich wieder beim Sex sind. Noch ganz alttestamentarisch ausgerichtet, lese ich eine Mail von »Rebekah«. Der Bibelkundige denkt an Rebecca, die Schwester Labans, die Frau Isaaks, Mutter von Esau und Jakob, aber das ist wohl irreführend, denn sie fragt mich »Wanna date?« Das erläutert sie derart: »card purveyor Give fade – detailed mistake swept tried«. Das klingt zwar eher kryptisch denn hebräisch oder gar aramäisch, aber ich erkenne doch zwei Worte: »give fate«. Ja, ich will Vertrauen haben! Bedeutet Rebecca nicht: die Bestrickende, die Fesselnde? Ach, wenn schon Sex-Spam, dann so. Das ist doch mal was anderes als das übliche »Your little friend will grow faster than mushrooms after the rain«. Für Enttäuschung sorgt dann Moses. Ein gewisser Moses Zimmerman dient mir nämlich reichlich plump »Brunettes Babes« an.

Soweit zum gelobten Land. Die Konkurrenz schläft jedoch nicht. Die Muselmanen haben ohnehin nie die Hoffnung auf mich ganz aufgegeben und treten in den Wettbewerb ein. Ein Muslim-Shop bemüht sich um mich (»Reise-Gebetsteppich, Material: 100% Polyester«) beziehungsweise um meinen Nachwuchs: »Spiel für kleine Muslime: Moscheebau« oder »Laptop mit islamischen Funktionen im professionellen Design«.

Jedoch benützen auch diese Brüder gern die anzügliche Schiene. Ein gewisser Abdullah M. schreibt: »Mit Geld kann man nicht alles kaufen! Die Potenz und ueber 20 Minuten Standhaftigkeit schon!« Soll er sich doch mit Moses Z. zusammentun. Wie auf dem Bazar geht das in meinem Mail-Account zu! Was »Mr. Martin Mohammed of The African Chamber of Commerce« von mir will, lese ich dann gar nicht mehr.

Ein Glück, dass man sich wehren kann. Wissen religiöse Fanatiker eigentlich, dass iTunes und andere Musikdatenbanken Funktionen besitzen, mit denen man sie zur Weißglut bringen kann? Das geht so: Man nimmt sich eine Musikdatei im wav.-Format, nennt sie »Mohammed« oder »Papst Benedikt XVI." und lässt sie in eine mp3-Datei umwandeln. Auf dem Display erscheint dann zu meiner großen Freude:

Screenshot iTunes: Benedikt XVI. konvertieren - Verbleibende Zeit: 2:19 (1,0x)