16.04.10

Magdi Aboul-Kheir

Bitte wechseln Sie am Museumseingang Ihre Staatsangehörigkeit

Natürlich bin ich Deutscher. Ich bin in Deutschland geboren und sozialisiert worden, Deutsch ist nicht nur meine Muttersprache, sondern als Journalist mein täglich Schwarzbrot. Ich träume und fluche deutsch, trinke Bier, besitze Badeschlappen und reserviere in aller Früh am Hotelpool Liegen. Ich bin so deutsch, dass ich mich zuweilen wundere, was für ein Gesicht mich da aus dem Spiegel anschaut. Migration? Integration? Assimilation? Alles Fremdwörter, ich habe auch nur einen, den deutschen Pass. Schließlich ist mein Vater schon vor mehr als einem halben Jahrhundert nach Deutschland gekommen, hat hier studiert, gearbeitet, eine Deutsche geheiratet und mir nicht einmal Arabisch beigebracht. Natürlich bin ich Deutscher.

Nur nicht, wenn ich eine Eintrittskarte für das Ägyptische Museum in Kairo kaufen will. Zumindest findet das Mohammed, mein Neffe zweiten Grades, der Sohn einer Cousine. Von der Sorte habe ich in Ägypten wahrscheinlich 50 Stück oder mehr, darunter ein knappes Dutzend Mohammeds. Und dieser Mohammed hier ist angesichts der Eintrittspreise für Touristen der Meinung, dass ich unbedingt Ägypter bin, auch wenn ich einen deutschen Pass habe und mich in Kairo nur auf Englisch verständlich machen kann. Mal ganz abgesehen vom Rest der Truppe: meiner deutschen Frau und meinen deutschen Kinder.

Erwachsene zahlen 80 Ägyptische Pfund Eintritt, Schüler 40 Pfund. Also 240 Pfund für uns Vier, umgerechnet 34 Euro. Nicht gerade wenig, aber vielleicht doch angemessen, empfindet der Europäer, angesichts der grandiosen, weltberühmten Sammlung, die ihn erwartet. Für den durchschnittlichen Ägypter freilich entspricht die Summe ungefähr einem Wochengehalt, wenn nicht mehr. Die Einheimischen zahlen hier folglich andere Tarife: Erwachsene 4 Pfund, Schüler 1 Pfund.

Mohammed rät mir, mich etwas abseits zu halten, geht zum Ticketschalter und beginnt, den darin sitzenden Uniformträger zu beschwatzen. Hin und wieder deutet er in meine Richtung, einige Male fallen mein Name und der Ausdruck »Masri«, was Ägypter bedeutet, in Ägyptischen Pfund ausgedrückt also 4 statt 80. Der Uniformierte schaut unbeeindruckt drein. Mir ist das unangenehm, ich will Mohammed zum Begleichen des vollen Betrags bewegen, doch das ignoriert er. Stattdessen setzt er die argumentative Bearbeitung des Uniformierten fort, wobei mir nicht klar ist, welches überhaupt seine Argumente sind.

Schließlich winkt mich Mohammed heran.
»Kall'im Arabi?«, fragt mich der Uniformierte, was zu Deutsch heißt: »Sprechen Sie Arabisch?«
Immerhin verstehe ich diese Frage und antworte wahrheitsgemäß: »La«, was zu Deutsch »Nein« heißt. Vielleicht genügt das.
»Hm«, stellt der Uniformierte fest, was zu Deutsch »Hm« heißt.
»Enta Masri?«, fragt er mich dann, »sind Sie Ägypter?«
Mohammed nickt mir aufmunternd zu.
»Aiwa!«, murmle ich, also »Ja!«, und entschließe mich zur differenzierten Wahrheit: »Noss Masri, noss Almani«. Also: »Halb Ägypter, halb Deutscher.« Vielleicht muss ich so nur die Hälfte zahlen, immerhin.
»Show him your passport«, fordert mich Mohammed auf.
»It's a German passport!«, warne ich.
»It doesn't matter«, sagt Mohammed und lässt einen Redeschwall in Richtung Uniformierten los, in dem ich wieder nur »Almani«, »Masri« und »Aboul-Kheir« verstehe.
Der Uniformierte blickt mich neugierig an und hält die Hand hin. Bakschisch? Nein, meinen Pass, bitte.

Ich tue also, wie mir geheißen wird. Wie albern, wie sinnlos!
Der Uniformierte wirft einen Blick auf meinen Ausweis und fragt mich dann: »Magdi Aboul-Kheir?«
Ich nicke und gehe dann aufs Ganze, setze auf meine Vorfahrenkette, also die Namen meiner Väter und Vorväter: »Magdi Nabil«... jetzt kommt's... »Mohammed Aboul-Kheir«.
Der Uniformierte lächelt anerkennend und klopft mir auf die Schulter. »Masri!« Ganz offensichtlich freut er sich für mich.

Ich zahle 4 Pfund und erhalte meine Eintrittskarte. Weil's so schön ist, zahle ich für meine Kinder – die Töchter eines Ägypters sind natürlich auch Ägypterinnen – jeweils nur 1 Pfund. Für das Ticket meiner Gattin sind 80 Pfund fällig.

Es wird ein aufregender, augenweidender und nun auch günstiger Tag im Museum. Wir sind begeistert von den Jahrtausende alten Schätzen, von all den Sarkophagen und Statuen, den Grabbeigaben und Tutanchamuns Goldmaske. Nur für die Abteilung der Königsmumien wird noch einmal Extraeintritt verlangt, aber das ist jetzt ein Kinderspiel. Ein Kinderspiel, das wieder von vorn losgeht und an dessen Ende ich erneut meinen deutschen Pass vorzeige und jetzt vollmundig rufe: »Ana Masri!« Ich zahle für die Mumien-Show 10 Pfund, meine Kinder je 5 Pfund. Und meine Gattin 100.

Eigentlich eine Unverschämtheit. Wenn wir das nächste Mal in Ägypten sind und ein Museum besichtigen, wird auch meine Frau nur den Preis einer Einheimischen zahlen. Wo sind wir denn? Eben! Schließlich hat sie einen ägyptischen Mann und ist die Mutter ägyptischer Kinder. Und vor allem hat sie einen deutschen Pass.