16.07.10

Magdi Aboul-Kheir

Die Bindenbrusse treibt es wild: Vertraute schweinische Eier mit haarigen Klößen

Der menschlichen Sexualität ist bekanntlich kaum etwas fremd, und weshalb sollte sie dann vor der Küchentür haltmachen. Doch was die Bindenbrusse so treibt, überschreitet jede Grenze, selbst des schlechten Geschmacks.

So werden in manchen Teilen der Welt – man traut es sich kaum niederzuschreiben, doch die Wahrheit muss raus – selbst etwaige Geschlechtsorgane wie »Champignon-Brüste« oder »Haarig Klöße« serviert. Erotisiert, je nach Neigung, erwarten einen auch »Grobmutters Fleischköbchen«, wahrscheinlich in Köbchengröße D, eine »Jungfräuliche Lende in der Soss« oder ein »Wildes Teufelchen im Puffenkuchen«. Und was tut sich bloß Unschickliches in der Küche und auf dem Teller, wenn »150 g Das Jungferchen in Mühlhaus von vier scharfen Herrchen« empfohlen werden?

Bei manchem Etablissement mag es sich wirklich nicht um ein Speiselokal handeln, warum steht sonst ein »Walachischer Puffkuchen« auf der Karte? Man fragt sich gerade, ob die Welt des guten Essens derart sexualisiert sein muss, und dann betritt man ein tschechisches Lokal und muss solch anzügliche Angebote auf der Karte lesen wie »Chodenleckerei« und »Belebte Eier«. In Polen treiben sie dieses Spielchen noch weiter, dort gibt es – wenn man sich schon ein bisschen besser kennengelernt hat – »Vertraute Eier auf Butter«. Und wenn es noch mehr zur Sache geht »Vertraute schweinische Eier«.

Apropos schweinisch: Mancherorts trifft es die muslimische Kundschaft besonders hart. Etwa im »Angor Spirit Palace« in Kambodscha, wo »Spaghetti Allah Carbonara« ohne Rücksicht auf religiöse Empfindungen gekocht werden – dabei ist in Carbonara doch säuischer Speck drin. Und ein italienisches Lokal bietet ausgerechnet in den USA »Lasagna Allah Bolognese an«.

Nun soll aber von Geschmack, ja Schamlosigkeiten der anderen Art berichtet werden: von schamlos-plumpen Tricksereien. Zum Beispiel »Nudeln aus Lende« oder »Brustnudeln mit den Stücken von dem Obst« – ist das tatsächlich alles Pasta? Die Nudeln werden alsbald misstrauenserweckend weiterverarbeitet: zu »Thunfisch von Teigwaren«, und dieser wiederum in einen »Gemüsesalat von Thunfisch«.

Es wird eben noch viel mehr geschummelt als gemeinhin angenommen. Der Ungar scheut sich nicht, »Zusammengesetzte Salate« anzumachen, der Tscheche fährt übers Gemüsebeet, um »Plattspinat« zu servieren. Und was soll man schon von einem griechischen Gastwirt erwarten, wenn er explizit »Regelmäßige Burgers« anpreist? Der Spanier ist wenigstens ehrlich, wenn er uns »Gans foie gras mit home-made Konserven« vorsetzt.

Unklar ist, ob das »Zwiebelwesen« aus dem Stall oder aus dem Gemüsebeet stammt. Auch der slowakische »Lindenbraten Stroganov« scheint ein seltsames fleischlich-pflanzliches Mittelding zu sein. Und ein polnisches Restaurant führt auf der Karte unter »vegetarische oder halbvegetarische Gerichte« tatsächlich auf: »Fleischmaultaschen serviert unter Grieben«. Vielleicht ist dieses Essen eher nur viertelvegetarisch. Da bestellt man sich doch lieber ein ehrlich angegrüntes »Kalbschnizel in Moos«.

Wenn in der Karte einmal en detail aufgeführt wird, auf was der Koch so alles zurückgreift, wirkt das auch nicht unbedingt vertrauensbildend. Ein Cappugiro besteht demnach aus »warmer Milch, Piccolo Treibeis und Zucker«, und ein deftiger spanischer Nachtisch sieht dergestalt aus: »Auswahl Erdbeer Grand Marnier flambiert Alkohol-, Kalk-Sorbet und Rahm Rahm.« Der Kalk wird offenbar durch Doppelrahm wieder wettgemacht.

Wem Kalk und Rahm Rahm noch nicht schwer und substanziell genug sind, der sollte sich ein Restaurant suchen, das »Hausgemachte Fette« anpreist. Das finden Sie schon eklig? Wie mundet dann erst polnische »Speinpilzsuppe« oder »Rotte-Rüben-Suppe«, schön verrottet zum spein. Es geht aber noch fieser. So mancher Koch scheut offenbar nicht einmal davor zurück, menschliche Ausscheidungen und Körperflüssigkeiten aller Art zu verwenden. Je nach Vorliebe ist eine »Geflügelmischung Pipi« im Angebot, und in Österreich schätzen sie die »Gebackene Schweisleber«. In diese intensive Geschmacks- und Geruchsrichtung geht ebenso ein polnischer Gastwirt, der »Schweisrippchen« anbietet und sogar ein ganze »Schweisplatte«. Dazu passt dann eine Portion »Schwitzkraut«.

Übertroffen wird das nur noch von einem Berliner Lieferservice, der uns »Entrekot« nach Hause bringt. Und von einem slowakischen Hotel, das unter der herzigen Bezeichnung »Hoppelpoppel« Folgendes serviert: »Bierbrauersteak mit Schweinekot«. Da wendet sich sogar die Bindenbrusse mit Grausen.