16.07.12

Magdi Aboul-Kheir

Sprechen Sie Fleischwurst?

Am Esstisch schlägt der Blitz ein.
»Papa, kannst Du Fleischwurst?«, fragt mich meine Neunjährige.
Papa, der Germanist und Journalist, ist entsetzt. »Nein«, blaffe ich die Tochter an, »ich kann nicht Fleischwurst. Aber ich kann sie kaufen, ich kann sie essen, ich könnte sie dir sogar reichen.«

Ich denke an die Biografie der Brüder Boateng, die ich jüngst gelesen habe. Wie die deutsche Mutter des Fußballers erschrak, als sich ihr intelligenter, selbstverständlich akzentfrei Deutsch sprechender Sohn Jerome als Jugendlicher in schlechter Gesellschaft »einen Türksprech« angewöhnte. Heute, immerhin, kann er dafür sehr gut Fußball.

Feridun Zaimoglus »Kanak Sprak« ist Kultliteratur, Zé do Rocks »Deutsch gutt sonst Geld zurück« ist lustig, aber auf der Straße macht mich »Ich geh Tengelmann«, »Ich mach disch Krankenhaus« und »Ich weiß, wo dein Haus wohnt« krank. Ich will nicht, dass meine Töchter »Kannst du Fleischwurst« sagen. Sie sollen es noch nicht einmal denken.

Natürlich bin ich dafür verantwortlich, dass sie einen arabischen Namen tragen, aber das ist kein Grund, mit Sätzen der Gattung Subjekt-Prädikat-Beleidigung-Alder zu kommunizieren. Was ist denn an Subjekt-Prädikat-Objekt so schwer? Wobei: »Kann« ist Prädikat, »Du« ist Subjekt, und »Fleischwurst« ist Objekt. Da stimmt was nicht.

Vielleicht erkenne ich nur die Zeichen der Zeit nicht. Kürzlich wollte ich auf Facebook meinem Profil die Sprachkenntnisse Deutsch, Englisch, Französisch, Feuilletonistisch und Obszön hinzufügen, aber das akzeptierten Mark Zuckerbergs Vasallen nicht. Sollte ich es mal mit Fleischwurst versuchen?

Die Wahrheit ist: Wahrscheinlich könnte auch ich beruflich von Kenntnissen in Fleischwurst profitieren. Dieser Tage erhielt ich eine Einladung der Heinrich Nölke GmbH & Co. KG zum Pressegespräch. Man wollte mir »den umfänglichen Markenrelaunch der Nr. 1 im Markt für Geflügelwurst vorstellen. Die Premium-Geflügelwurstmarke ,Gutfried' soll bei den Kunden durch neues Design, neue Werbung und neue Produkte noch mehr Lust auf Geschmack machen.« Als Kulturredakteur schreibe ich zwar gern lange Schinken, bin zuweilen eine beleidigte Leberwurst, fühle mich aber ansonsten in diesem Themenumfeld deplatziert wie eine Scheibe Speck auf dem Gemüseteller.

Kann ich Fleischwurst? Nein, bisher kann ich nur Kolumne. Aber ich sollte es wohl lernen.