16.08.14

Magdi Aboul-Kheir

Gestatten, ich bin Feldmarschall Mirko und sollte Jazzdance lernen

Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir Menschen damit herauszufinden, wer wir eigentlich sind. Irgendwann kommt eine Phase, in der wir versuchen, unbedingt jemand ganz anderes zu sein, das nennt man Midlife Crisis. Danach wollen wir wieder zu uns selbst finden, jetzt aber mal so richtig, und wir heulen dann auch mehr. Und dann ist es irgendwann rum. Man kann die menschliche Existenz also ganz einfach in vier Sätzen zusammenfassen.

Weniger leicht ist aber die Sache mit der Selbstfindung. Die Frage nach der eigenen Identität. Nach dem Kern des eigenen Ichs. Die Menschen versuchen dabei vieles: Psychoanalyse, Drogen, Meditation, Extremtouren, die Beine verknoten und den Nabel betrachten, Tarot, Tantra, Fliegenfischen.

Diese Formen der Identitätssuche sind aber oft anstrengend, langwierig, auch teuer und trotz allem nicht immer zielführend. Man kann durchaus drei Jahre lang barfuß durch den Orient wandern, alles rauchen, was Blätter hat und intensiven Sex mit Ziegen haben, ohne danach wirklich zu wissen, wer man ist. Okay, vielleicht hat man dann eine Ahnung, aber es gefällt einem nicht.

Kürzlich wurde ich auf Facebook gefragt »Welcher Film bist Du?« Ich beantwortete ein paar simple Fragen und erfuhr, dass ich »Blade Runner« bin. Das freute mich, denn das ist einer meiner Lieblingsfilme, und ich hatte eher »Dirndljagd am Kilimandscharo« erwartet. Dann klickte ich weiter: »Welche Filmfigur bist Du?« Heraus kam Til Schweiger. Angefressen klickt ich den Blödsinn weg. Was für ein Käse, man beantwortet zehn lapidare Fragen und darf sich dann beleidigen lassen.

Aber dann dachte ich nach. Ist es nicht gerade das Wesen der Selbsterkenntnis, unangenehme Wahrheiten zu akzeptieren? Ich machte den Test noch einmal, wählte aber absichtlich andere Antworten aus. Ergebnis: Til Schweiger.

Ich fragte meine Frau, ob ich was ich mit Til Schweiger gemeinsam hätte? »Du bist nicht groß und redest viel Blödsinn«, sagte sie. »Und wenn nicht Schweiger, welche Filmfigur wäre ich dann?«, hakte ich nach. »R2D2«, sagte sie. »Oder Calimero.«

Also lieber doch Til Schweiger. Ob an der Sache wirklich etwas dran ist? Es konnte ja nicht schaden, noch ein paar weitere Tests zu machen, um mehr von der schonungslosen Wahrheit mich zu erfahren. Besser als mit anderen Spinnern im Kreis herumzugreinen oder auf dem Jakobsweg Polonäse zu laufen – und dazu noch gratis.

Und nun, liebe Leserin, lieber Leser, können Sie in mir wie in einem offenen Buch lesen. Hier eine Auswahl der wichtigsten hochwissenschaftlichen Ergebnisse: Ich wäre gern ein Koalabär und sollte in Los Angeles leben. Meine Aura ist blau und mein mentales Alter acht Jahre. Ich habe ein teuflisches Wesen, und meine besondere Gabe ist Sinnlichkeit. Mein Charaktertyp ist der Feldmarschall, und als Gemüse wäre ich eine Zwiebel. Ich sollte Elektriker werden, mich mal an Bogenschießen oder Jazzdance versuchen, außerdem Finnisch lernen und einen VW Golf fahren. Ich küsse anpassungsfähig und mein Song ist John Lennons »Imagine«. Im Übrigen passt der Name Mirko zu mir. Außerdem bin ich zwar nicht dünn, darf aber stolz auf mich sein.

Ach ja, wenn ich ein Baum wäre, wäre ich ein Birnenbaum. Freilich wurde ich just bei dem Baum-Test doch wieder ein wenig misstrauisch, was die Seriosität betrifft. Darin fand sich die Frage »Erregen dich Bäume sexuell?«, und zur Antwort standen nur »Ja, im Wald geht mir voll einer ab« und »Nein, Bäume sind scheiße«. Das fand ich doch ein wenig undifferenziert. Aber egal, ich wusste jetzt ja schon wahrlich eine Menge über mich.

Kürzlich teilten etliche meiner Facebook-Freunde das Ergebnis eines IQ-Tests. Sie alle hatten 128, 132 oder 136. Was mich bei meinen schlauen Freunden nicht wunderte. Einerseits. Andererseits machte ich den Test dann selbst, beantwortete alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen total falsch – und erhielt, mit 0 korrekten von 24 Antworten, einen IQ-Wert von 98 zugesprochen. Also sozusagen Bevölkerungsdurchschnitt.

Darin liegt ein starker Trost: Selbst wenn man überhaupt nichts weiß, ist man noch so klug wie der Durchschnitt. Auf dem Weg zur Selbsterkenntnis hilft mir das sehr weiter.