17.02.10

Magdi Aboul-Kheir

Die Bindenbrusse sagt niemals nie: Gagettchen mit Sprödesalat und Extrawurst

Haben Sie schon einmal »Gießtalken« geschlemmt? Lassen Sie sich gern »Etwas auf dem Zahn« schmecken oder schließen Sie Ihren Magen lieber mit einem echten »Klebgericht«? Wundern Sie sich, wenn Sie das Fleisch garantiert »mit Poren« vorgesetzt bekommen? Das alles sind wichtige Fragen, denn man ist, was man isst. Und das weiß niemand besser als ein Liebhaber der Bindenbrusse. Dieses seltsame Wesen gehört zu den schrecklich-schönen Dingen, die uns dankenswerterweise auf deutschsprachigen Speisekarten in aller Welt feilgeboten werden. Und die Bindenbrusse macht uns wieder mächtig Appetit.

Ja, man ist, was man isst, insofern sollte man bei Lebensmitteln unbedingt auf den Charakter achten. »Gerissene Salate« zocken uns gnadenlos ab, der »Sprödesalat mit Honig-Begießung« zeigt uns die kalte, wenn auch klebrige Schulter. »Kesse Kroketten« räkeln sich hingegen verführerisch in der Panade. »Das unverschämte Huhn« kann uns gestohlen bleiben, ebenso die »Versoffene Hühnerbrust« mit ihrem Alkoholproblem. Angesichts des spanischen »Wolfsbarsch wild vom Grill« wird es aber wirklich gefährlich. Kein Wunder, wenn der slowakische Koch mit der Axt in den Wald rennt – und mit was kehrt er zurück? Mit »Gefällter Aubergine«.

Apropos Auberginen-Fällen: Einst war das Kochen ein ehrbares Handwerk. Davon zeugen noch manchmal Gerichte wie polnische »Rollos aus marinierten Zucchini und Schafskäse«. Das Kochen war sogar verwandt mit echten Handarbeiten. Zuweilen erinnern heute noch gewisse traditionelle Gerichte daran, wie zum Beispiel »Steak mit Speck geflochten«, und »Fleischzopfchen«. Ganz zu schweigen vom komplizierten »Zopf aus Hühnerbrüsten mit Erbsen auf Dutter« und den unglaublichen »Traditionellen Turban-Teichtaschen«. Wer es noch textiler schätzt, mag an »Banane in Rollkragenpullover« seine Freude haben, ebenso an »Huhn im weißen Schal«.

Die Verbindung von Kochkunst und Kunsthandwerk reicht historisch übrigens weit zurück, wie tschechische »Puttenschnitzel«, »Puttenrisotto« und »Puttenpfanne pikant« sowie italienische »Putten alla Griglia« belegen. »Putter auf Butter« ist wohl ein besonders fettglänzender, aber dennoch engelsgleicher Braten.

Doch Hauptsache, man wird satt, und das ist einfach eine Frage der Portionsgrößen. Eine tschechische Pizzeria reicht »300 g Leckerbussen«, zumindest Bustouristen. Und sogleich wird dick nachgelegt mit »200g Käsescheibe, 300g Schnitzelsalat«. Wenn das noch nicht genügt, gibt es »3st Kartoffelpuffer mit Extrawurst«, aber auch »100g Babygulasch«, was uns misstrauisch macht. Schnell »350 g Teigmassen Pomodoro« hinterherschieben!

Aber noch immer knurrt der Magen, denn auf dem »Grillenteller für zwei Personen« liegen nur magere Insekten, ebenso ist an den »Dürrtomaten« nichts dran. Also machen wir jetzt ernst und zwar gleich mit einem »Gebirge Knoblauchsuppe« und nicht weniger als »1,3 kg Gegrillte schmeines Knie als Beilage«. So viel schmeines Knie war noch nie, und nur die wenigsten haben nun noch Kapazität für »Gemischer Salat Geräumig«. Dann fahren wir nach Marienbad und bestellen »12 kg Gebratenes Ferkel für den ganzen Verwaltungsrat«.

Oder doch lieber Leichtes und Luftiges gefällig? Dann bestellen wir »Duftigen Lachs« oder auch »Lachs im Dampf«. Dieser Fisch macht es sich gern mal gemütlich (»Selchseelachs auf Gemüselager«), und am Himmel ziehen, nein, keine Kachelmannschen Blumenkohlwolken, aber immerhin »Huhnwölkchen im Käseteigchen« vorüber.

Freilich mag man sich einen Augenblick lang fragen, was »Huhnwölkchen« sind. Dem küchenkreativen Umgang mit Geflügel scheinen heute offenbar keine Grenzen mehr gesetzt, besonders die Tschechen sind erfindungsreich, dabei aber brutal, wenn man Gerichte wie »Hühnchen Kopfbruch« und »Einäugig Hühnersteak« betrachtet. Von einem massiven und massigen Umgang zeugt auch die Spezialität »1/2 des mit Goldfärbung und unter Belastung gebratenen Hühnchens«. Alles geht, alles ist möglich, sogar »Pfirsich mit Hühnermayonnaise«. Da kommen die Slowaken mit »Gärtnerische Hühnerschleckere« nicht mit.

Doch auch die Schweinereien werden immer vielfältiger. Der Ungar kredenzt »Ampfene Sau«, der Italiener »Schwienhorst von grill«, und in Portugal heißt es »Schweineritten« – die Frage ist nur wohin, wahrschweinlich auf und davon.

In einer tschechischen Pension geht Schweinefleisch offenbar über alles, denn hier werden wir folgendermaßen belehrt: »Liebhaber von Steak begreifen unter dem Titel Steak nur und ganz abgeschneidetes Stück Fleisch aus Schwein.« Die Rinder werden es gern hören. Und dann macht der Gastwirt so richtig schön Werbung für seine Kochkunst:
»Steak, der noch blutig ist und fast roh ist schmeckt nich jedem, dafür ist er fast immer fein. Durchebratener Steak ist dagegen fast immer hart.« Was ihn nicht davon abhält, hartes Steak anzubieten.

Hauptsache, ein Stück vom Tier, scheint das Motto zu lauten.
»Rindermaulfleisch mit Gänsemuskelmagen« und »Gebeizte Lammklaue« bezeugen diese Haltung in Ungarn, der Tscheche feuert die Kohlen an, um »Bratgerippe vom Grill mit Ziegenhorner und Geback« servieren zu können, und er scheut nicht einmal vor »Tagliatelle mit Hühnerfleisch und frisch Fuchs« zurück. Der Grieche macht es sich einfacher und bietet lapidar eine »Gekochte Ziege« an. Und in Kroatien soll man wohl einfach mal vertrauensselig ein pauschales »Tier-Gulasch« ordern.

Warum soll man sich auch mit Erklärungen aufhalten, welche Partien von einem Lebewesen da in den Ofen oder in die Pfanne wandern. Gerichte wie »Gegrillte Gänsekragen mit Hausmacherfüllung«, »Schweineklötzen mit Bier gebraten« oder »Krebshalschen« sorgen doch nur für Verwirrung. Und was den hungrigen Zeitgenossen erwartet, wenn er »Schweinestöckel a la Fasan« bestellt, ist völlig unklar. Was schwimmt denn alles in der schwedischen »Erbsensuppe mit Wädli«, wie fest sind »Aalstangen in Zitronencreme«? Und was sind nur »200 g Beeren Pfoten«? Wohl irgendwas aus dem Wald.

Fleisch ist eben nicht Fleisch. Um was handelt es sich denn bei »Gagettchen knusperig« und der »Schmackhaften Bratstelze«, bitteschön, um von der »Maizähre mit Kräuterbutter« gar nicht zu reden? Auch Beilagen sorgen für Unklarheit, sei es der »Shinkene Reis«, der »Gerübene Käse« oder die »Drei Versichene Kase«. Man ahnt immerhin, was »Gulaschsuppe mit Zackteig« oder die »Schafkasse« ist, bei »Lamm mit Brotschitten« will man es schon gar nicht mehr wissen.
Bekommt man die spanische »Port-Melone mit durchnäßte Termine« nur an bestimmten Tagen in der Regenzeit? Und muss der Lebensmitteltransporter einen Unfall haben, bevor es »Überschlagen Salat mit Gemüse« gibt?

Ein tschechischer Gastwirt auf jeden Fall weiß sich zu behelfen und erklärt dem Kunden für den Fall der Fälle: »Dieses Gemüse wird verabreicht, wenn leer anders, zu jeder Hauptmahlzeit.« Genau: Mahlzeit!