17.06.06

Magdi Aboul-Kheir

Der Ivorer in mir vs. meine orange Frau

Die Welt ist bekanntlich zu Gast bei Freunden, aber die Welt kennt meine Frau noch nicht. Puh, böse Worte. Aber ich muss zugeben, die Schuld an der vorliegenden unschönen Episode liegt ohnehin bei mir. Schließlich hatte ich mich um WM-Tickets bemüht, und nun hielten wir tatsächlich Karten für das Spiel Niederlande - Elfenbeinküste in den Händen. Eine prickelnde, sportlich vielversprechende Paarung, die wir aus der Perspektive objektiver Fußball-Genießer goutieren wollten.

Man muss an dieser Stelle anmerken, dass meine Frau Anhängerin des TSV 1860 München ist und ich Bayern-Fan bin. Dennoch sind wir verheiratet, selbst an Samstagen; ja, so souverän gehen wir mit dem Thema Fußball um. Aber nun blickten wir dem großen Tag im Stuttgarter Stadion mit außergewöhnlicher Vorfreude entgegen: Wie herrlich würde es sein, wenn man den Ballast der Parteilichkeit, des zwanghaften Fanverhaltens gänzlich ablegen und sich einfach an Spitzensport erfreuen könnte.

Holland gegen die Elfenbeinküste. Was für eine Paarung! Hier die Niederländer, das »Oranje«-Team, eine stark besetzte, offensiv ausgerichtete Mannschaft mit Weltstars wie Robben und van Nistelrooy. Dort die Elfenbeinküste, die stolzen »Elefanten«, eine athletische, technisch brillante Equipe mit dem Wunderstürmer Drogba. Möge der Bessere gewinnen, sagten meine Frau und ich am Vorabend des Spiels einträchtig.

Dann dachte meine Frau nach und sagte, sie sei tendenziell für Holland. Schließlich habe sie sieben Jahre ihres Leben, darunter die ganze Teenager-Zeit, dort verbracht. Meinetwegen, entgegnete ich, ist mir egal, ich werde mich überlegen zurücklehnen und meine Freude an einem geilen Kick haben. Mal abgesehen davon, dass mein Vater ja einst aus Afrika kam (okay, aus Ägypten, was diese Zuordnung gerade noch zulässig macht), ich also ethnisch-geografisch irgendwie ein wenig der Elfenbeinküste zugeneigt war. Außerdem hatten die Ivorer das erste Spiel grandios absolviert, doch unglücklich gegen Argentinien verloren, und nun sollten sie einfach noch nicht aus dem Turnier ausscheiden. Das verstehe sie, meinte meine Frau, und dann fügte sie folgende Worte in einem gewissen Fan-Singsang hinzu: »Hup, hup, Holland, hup!« Ich versuchte, diese Provokation geflissentlich zu überhören und bat meine Gattin nur, die Angelegenheit am folgenden Tag ohne dämliche Fan-Utensilien und peinlich parteiisches Verhalten über die Bühne zu bringen. »Natürlich«, sagte sie, »ist doch klar.«

Am nächsten Morgen, am Tag des Spiels, verzichtete ich ausnahmsweise darauf, meiner Frau ein Gouda-Brot zu machen, und legte zum Frühstück eine CD mit Afrika-Clubbeats auf. Meine Gattin tauschte die Musik wortlos gegen den niederländischen Liedermacher Robert Long aus, was mir aber fast entging, denn meine Aufmerksamkeit wurde nahezu komplett von ihrem T-Shirt gebannt. Grelles Orange. »Hup, hup, Holland, hup«, sagte sie.

Entsetzt über diese Niveaulosig- und Wortbrüchigkeit schüttelte ich den Kopf, frühstückte meine typisch ivorischen Maniok-Fladen, zog mich dann an, wobei meine Frau spitze Bemerkungen über mein Elfenbeinküste-Schweißband macht, das ich zufällig in meinem Kleiderschrank gefunden hatte.

Schweigend fuhren wir mit dem Zug nach Stuttgart, schweigend liefen wir Richtung Stadion. Unterwegs hielt meine Gattin kurz an einem Fan-Stand inne. Ich schaute mich um und betrachtete kopfschüttelnd die anmarschierenden Holland-Fans. Als wir weitergingen, trug meine Frau eine orange Kappe und einen ebensolchen Schal. Ich konterte am nächsten Stand mit einer kleinen Côte-d'Ivoire-Fahne, zwei mal einen Meter groß. Danach eskalierte die Situation ein wenig.

In voller Montur liefen wir im Stadion ein. Meine Frau ein Albtraum in orange, da fehlten nur die Holzschuhe und die Fräulein-Antje-Zöpfe: »Hup, hup, Holland, hup!« Ich mit Didier-Drogba-Trikot, mit Rasta-Perücke in orange-weiß-grün, fahnenschwingend; lediglich in Sachen Fan-Gesang war ich zunächst unsicher. »Côte ... Côte ... Côte d‘Ivoire« klang in meinen deutschen Ohren irgendwie unappetitlich. Besser war da schon der Schlachtruf »Allez, les éléphants!«

Vom Spiel selbst sei nicht viel erzählt. Ich saß mitten in einem Oranje-Pulk – euphorische Menschen mit seltsamen Kopfbedeckungen, Gesichtsbemalungen und, natürlich, Holzklompen – und verfolgte die himmelschreiend ungerechte 1:2-Niederlage der Ivorer, mit der sie frühzeitig aus dem Turnier ausschieden.

Der Fairness halber sei angemerkt, dass selbst meine Frau den Ausgang angesichts des Spielverlaufs nicht wirklich angemessen fand. Und so zogen wieder Vernunft und ehelicher Frieden ein. Nach all den hochkochenden Emotionen fuhren wir ziemlich ruhig und versöhnt heim. Zwischendurch trocknete ich meine Tränen am Schweißband.

Später, im Bett, schluchzte ich noch ein wenig ins Kissen. Au revoir, les éléphants, au revoir. Kurz bevor ich einschlummerte und von der afrikanischen Urmutter aller Menschen träumte, hörte ich von der anderen Seite des Bettes ein leises »Hup, hup, Holland, hup«.