18.04.04

Magdi Aboul-Kheir

Schnick, schnack, schnuck, Sinatra auf dem Balkon

Schnick, schnack, schnuck. Schere fällt in den Brunnen. Schnick, schnack, schnuck. Stein wird vom Papier umhüllt. Schnick, schnack, schnuck. Stein fällt in den Brunnen. Brunnen wird vom Papier bedeckt. Schere wird am Stein stumpf. Stein fällt in den Brunnen. Wieso, wieso nur, kann meine Frau dieses infantile Spiel kein einziges Mal gegen mich gewinnen? Selbst nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit müsste sie sich ab und zu durchsetzen. Nichts da. Wieso bin ich mit einer promovierten Geisteswissenschaftlerin zusammen, die von vier Möglichkeiten immer, immer, immer die falsche, falsche, falsche auswählt? Papier wird von der Schere zerschnitten. Schere fällt in den Brunnen. Stein fällt in den Brunnen. Mit Schnick, schnack, schnuck, auch Knobeln genannt, entscheiden wir, wer im Alltag anstrengende, unangenehme oder übelriechende Tätigkeiten zu verrichten hat. Wer verliert, muss ran. Es ist immer meine Frau. Das heißt, ist sie nicht, denn ich gewinne und mache den Mist trotzdem oft genug. Weil ich mich für sie geniere? Aus Mitleid? Aus Fairness? Aus weiß nicht?

Partnerwahl ist Glückssache, sagt sie gern zu mir.

Meine Frau meinte kürzlich, ich stänke aus dem Mund nach Schweiß. Tue ich nicht, entgegnete ich, das ist der probiotische Vital-Aufstrich »Toskana« mit Tomaten, Basilikum und Oliven, cholesterinfrei, ballaststoffreich und mit bioaktiven Pflanzenstoffen. Ja, Letztere könne man riechen, meint meine Frau; abgesehen davon sei sie schon in der Toskana gewesen, und dort habe es nicht so gestunken.

Partnerwahl ist Glückssache, sagt sie gern zu mir. Ich entgegne, man kann nicht immer Glück haben.

Jüngst regte meine Frau an, wir sollten uns angesichts unserer heranwachsenden Kinder ein Haustier zulegen. Natürlich will eine solche Entscheidung mit Bedacht getroffen und auf allerlei soziale, psychologische und organisatorische Aspekte unseres Familienlebens abgestimmt sein. So schlug ich nach sorgsamem und ernsthaftem Abwägen die Anschaffung eines Au-Pair vor; das ist meist stubenrein, bleibt nur ein Jahr, und auch der Papa hat daran seine Freude. Diesen Vorschlag lehnte meine Frau ab, und zwar mit drastischen Worten. Wenige Tage später vernahm ich mit Überraschung die Worte meiner Frau, sie habe sich das mit dem Au-Pair überlegt und Entsprechendes in die Wege geleitet. Entsprechendes war der Auftrag an eine Agentur, die auf die Vermittlung 16-jähriger slowenischer Adonis-Au-Pairs spezialisiert ist. Diesen Vorschlag lehnte ich ab, und zwar mit drastischen Worten.

Partnerwahl ist Glückssache, sagt sie gern zu mir. Ich entgegne, man kann nicht immer Glück haben. Da hast jetzt Du wieder recht, sagt sie.

Wenn ich meine Gattin ärgern will, muss ich nur zu unserer knapp dreijährigen Tochter sagen: »Sei etwas leiser, Mama ist nervös.« Will meine Gattin mich ärgern, zieht sich mich mit Wörtern auf, die ich angeblich falsch betone, zum Beispiel Sinatra und Balkon. Sie behauptet, ich sagte SINNatra und BALLkong. »Schau mal«, ruft sie und deutet aus dem Fenster, »Sinnatra steht auf dem Ballkong«. Daraufhin werde ich sauer, denn ich spreche die Wörter nicht falsch aus, oder höchstens wenn ich müde bin, und wer verdient sein Geld hier denn mit Sprache? Dann streiten wir uns, und die Tochter fragte, was los ist, worauf ich sage: »Mama ist nervös«, und dann ist es ganz vorbei.

Kürzlich träumte mir, dass ich auf Ebay meine Frau feilbot. Die Kaufwilligen überschlugen sich, Millionen wurden für meine Gattin geboten. Ich wachte schreiend auf und stürzte an den Computer. Ich wählte mich ins Internet ein, surfte zu Ebay und suchte nach Aboul-Kheir. Tatsächlich ein Treffer! Allerdings stand da nicht sie zu Verkauf, sondern ich. Meine Frau bot mich an: »Rüstiger 37-Jähriger, Besserwisser, Nichtraucher, duscht täglich. Glatzköpfig, aber behaarte Schultern; selbstironisch, allerdings nur wenn er nüchtern ist.« 9,99 Euro Mindestgebot, 49 Euro Sofort-Kaufen-Option. Niemand bot. Erneut wachte ich schreiend auf. Ein Traum im Traum? Ein Albtraum im Albtraum?

Ich drehte mich zu meiner Frau und knobelte mit ihr, wer Frühstück machen sollte. Natürlich gewann ich, Schere schneidet das Blatt entzwei. Natürlich machte trotzdem ich Frühstück. Auf dem Balkon steht Sinatra und lächelt. Schnick, schnack, schnuck.