Wahlkampf als Schlammschlacht einmal wortwörtlich. Steigende Pegelstände für mehr Prozente. Statt keimfreie Spots aus den Image-Laboren der PR-Berater das pralle Katastrophenleben: gebrochene Dämme, Straßenzüge unter Wasser, Jammer, Tränen, Ruinen, Matsch, schuftende Soldaten, schreitender Schröder, staksender Stoiber. Menschenelend als werbewirksame Kulisse für Spitzenpolitiker auf Stimmenfang. Der Mandats- als Öljackenträger.
Lippenbekenntnisse allenthalben: Das Hochwasser tauge nicht zum Wahlkampfthema bla bla, schließlich gehe es um das Schicksal vieler gebeutelter Menschen bla bla blub blub. Und fast alle suchen nach einem Dreh, in der Flut nach Stimmen zu angeln.
SPD-Strategen, denen das Wasser bereits bis zum Halse steht, erkennen: Die Bewältigung der Hochwasser-Krise taugt als Chance zur Bewältigung der Stimmungstief-Krise. Also hinein ins prall überschwemmte Land mit den Parteipromis. Leider ohne Parka-Scharping, was für ein Verlust: »Das Wasser ...« Pause »...steht...« lange Pause »...ziemlich...hoch.« Dafür überall mittendrin der Kanzler. Staatstragend erschüttert, doch mannhaft gefasst. Die Neue Mitte hat nasse Füße, das darf nicht sein. Machermentalität, Führungsqualität zeigen: Mose teilte das Meer, Schröder befiehlt die Elbe ins Flussbett zurück. Neuer Aufbau Ost, mit der Erst-Edition hat sich schon Kohl schön lange oben gehalten. Wir packen's mal wieder an, wir haben verstanden, Wasser weiche undsoweiter. Nach dem großen Guss blühende Landschaften zweiter Teil und Arbeit für alle, etwa Dammbau und Sandsackschleppen.
Der Gegenkandidat, sonst eisgekühlter Technokrat, emotionsfreier Bürokrat, schmallippiger Verbalautist, wittert potenziellen Sympathiegewinn, lässt den Mitmenschen Edmund aufs Volk los. Gelebte christlich-soziale Barmherzigkeit, Betroffenheitsmiene, Besorgnisfalten. Stoiber, tapferes Trösterlein in der Sintflut. Den bayerischen Landesvaterarm beschützend um schluchzende Sächsinnen gelegt, mitfühlende Fragen aus der Tiefe des Wahlkämpferherzens (»wie geht's?«), ein sorgenvoller, aber keinesfalls resignierender Blick – allerdings immer Richtung Kamera schielend: Ist die Nächstenliebe auch drauf? Doch keine Haltung ohne Inhalte: Hochwasser ist schließlich Unions-Kernthema, innere Sicherheit zum Beispiel, nieder mit den Fluten, schiebt ausländische Zerstörungswellen ab! Dumm zwar, dass sich im Kompetenzteam niemand mit ökologischer Kompetenz befindet. Aber egal, Merkel verweist auf die gewesene Umweltministerin in sich, und den Töpfer-Trumpf gibt's ja auch noch.
Die Grünen haben es schon immer gewusst, Ozon, Treibhaus und so, nicht zu vergessen den radikalen Ausstieg. Aber wissen das auch die Wähler? Vorsichtshalber nachhelfen: Künast stapft landwirtempathisch und verbraucherschützend durchs feuchte Feld, der Außenminister macht sich gramgegraut ein Bild vom Inland. Trittin glänzt mal wieder durch ganz spezielles Timing und grinst als Ersatz-Kachelmann von Wahlplakaten samt Wetterkarte, Slogan »Wir sorgen für gutes Klima«. Alles in trockenen Tüchern?
Bleiben PDS und FDP. Land unter – eine große Chance für die Urroten und Untoten, wo doch vor allem der Osten getroffen ist. Auf zu alten Linken. Immer auf die Neuen Länder, passt zur bewährten Erfolgs-Opferpolemik. Egal, wer schuld ist, Hauptsache, wir sind benachteiligt.
Nur die Ex-Liberalen vermögen nicht so recht, aus dem Stimmenhochwasser zu schöpfen. Passt nicht zum Image, die Drecksbrühe; ist gar nicht spaßig, so ein Schlamassel, flood's no fun. Der Generationswechsel der FDP rächt sich: Kinkel hätte als alter Nachrichtendienstler das Hochwasser schon viel früher kommen sehen, und Gerhardt wirkte selbst ohne Katastrophe immer angemessen betroffen und leidend. Und die neuen Macher? Alles Fehlanzeige – das Guidomobil hat keinen Allradantrieb und Guido selbst offenbar keine Gummistiefel. Ganz zu schweigen von Fallschirmspringer Möllemann. Der hasst Wasserlandungen.