Diese Kolumne lässt sich auch hören!

»Erotische Begegnungen mit potenziellen Bundestagsabgeordneten« vorgetragen von Tom Wendt
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21.08.05

Magdi Aboul-Kheir

Erotische Begegnungen mit potenziellen Bundestagsabgeordneten

Ich denke sehr oft an Sex. Mit diesem Satz sollte man eigentlich jede Kolumne beginnen. Da er im vorliegenden Fall auch wirklich einmal angebracht ist, zögere ich nicht. Also:

Ich denke sehr oft an Sex. Allerdings nicht, wenn ich die Politikerplakate zur Bundestagswahl betrachte. Ich will die Damen und Herren nicht einmal wählen, geschweige denn –

Doch als ich vorgestern durch die deutsche Provinz kurvte und vor mir am Wegesrand ein weibliches Riesenkonterfei auftauchte, durchzuckte es mich, und ich parkte meinen Volvo fast im Graben.

Meine Gedanken schweiften weit zurück, in die finstere Epoche der Pubertät. Mein Schulfreund Tom hatte einst mit 15 verkündet, ein Mann von Welt müsse dreierlei im Leben leisten, um ebendieses als erfüllt bezeichnen zu können. Er müsse erstens Sex mit einer echten Rothaarigen haben. Er müsse zweitens Sex mit einer Frau mit sehr großen Brüsten haben. Er müsse drittens Sex mit einer Prominenten haben.

Mit 15 beeindruckten mich diese Zielvorstellungen gewaltig, wobei sich Tom ernsthafter an die Umsetzung machte als ich. Tom lebt heute als Grafikdesigner in einer italienischen Metropole und wünscht es gewiss nicht, wenn ich ihn an seine mehr als zwei Jahrzehnte alten pubertären Einlassungen erinnere; ein Wunsch, den ich hiermit vorsätzlich missachte.

Was mich betrifft, so arbeitete ich mich an der Drei-Punkte-Liste nicht wirklich ab, solch ein Ehrgeiz wäre mir dann bald unreif vorgekommen. Zumindest behauptete ich das. Auch erfüllten sich die ersten beiden Punkte im Laufe der Jahre mehr oder minder von selbst (wobei man in Sachen rote Haare sogar von einer Plansoll-Übererfüllung sprechen könnte), während mir nunmal kaum erotisch willige namhafte Damen unterkamen. Man könnte auch sagen: keine. Und heute ziehe ich nur noch äußerst selten los, um Toms kindische Messlatte zu überspringen und eine prominente Paarungspartnerin aufzutreiben; nicht zuletzt, weil meine Ehefrau dafür nur wenig Verständnis aufbringt.

Nun saß ich also im Volvo und von dem Plakat lachte mich ganz eindeutig eine Ex-Freundin an. Die ganz offensichtlich in den Deutschen Bundestag einzuziehen wünscht. Anfang 20 waren wir gewesen, einst. Toms Liste erschien vor meinen Augen (schließlich, wenn man schon hinter zwei von drei Punkten Haken gemacht hat ...) und Fragen kamen auf: Zählt es, wenn sich der Zustand der Prominenz erst nach der Zeit des Beisammenseins einstellt? Genügt eine Bundestagskandidatur, wenn auch immerhin als Direktkandidatin einer so genannten Volkspartei, überhaupt für den Prominenten-Status? Und sollte ich im Falle ihrer Wahl im Berliner Reichstag auftauchen und sagen: »Du hast noch eine Zahnbürste von mir« – bevor ich von Thierse rausgeworfen werde?

Ich stelle mir vor, ich besuche Tom in Italien, um mit der Erfüllung seiner Dreier-Liste anzugeben. Er öffnet mir seine Grafikdesignerwohnung, und ich sehe, dass dort mit ihm mehrere echte Rothaarige zusammenleben und auch Frauen mit sehr großen Brüsten, und zu seinen Ex-Gespielinnen gehören, wie er mir reinreibt, unter anderem Sophia Loren und Ornella Muti; dann schiebt sich von hinten noch Michelle Hunziker ins Bild ...

Nein, das tue ich mir nicht an. Ich sollte wenigstens, um der alten Zeiten willen, meine Flamme von einst wählen, aber nicht einmal das geht. Ist nicht mein Wahlkreis.