22.10.03

Magdi Aboul-Kheir

Die Weisheit der Güle-Güle-Oma

Einen schönen, guten Tag wünscht mir der Idiot auf der Straße. Mein Tag ist nicht schön, und gut ist er schon gar nicht. Soll er auch gar nicht. Mein Tag ist nicht schön, mein Tag ist nicht gut, und das ist auch gut so, frei nach Herrn W. aus B.

Ich tapere ja auch nicht durch die Gegend und wünsche jedem einen schönen Tag. Manchem wünsch ich noch nicht einmal einen Tag. Ständig dieser anmaßende Begrüßungsoktroyismus! Was, wenn jemand selbstmitleidig einen gediegen beschissenen Tag zelebrieren will? Einen traumhaft herrlich schönen, guten beschissenen Tag?

Noch schlimmer, hier in Süddeutschland: Grüß Gott. Nein, danke, erst später. Und dann das Danken: Vergellt's Gott. Früher verstand ich: Vergällt's Gott. Das ist immerhin komisch.

Was ist an hi, ciao, servus, salve, moin, yo auszusetzen? Wieso nicht ein wertneutrales Hallo? Notfalls sogar Hallolo, wie der computeranimierte Volldepp Jar-Jar in Star Wars Episode 1 jede andere Kreatur grüßt. Warum nicht schweigend lächeln, salutieren, den Hut lüften, sich gegenseitig die Zunge in den Hals schieben? Japaner verneigen sich. Die Polynesier beschnuppern sich gegenseitig die Wangen. Die Loango im Kongo klatschen in die Hände und trommeln sich mit den Ellbogen auf die Rippen.

Der berufjugendliche Sprecher meines derzeitgen Lieblingssenders im Radio wünscht mir zwar keinen wie auch immer gearteten Tag, dafür begrüßte er mich neulich mit »Schalömchen und Schubidu«. Der Sender hat ja wohl ausgedient, Schalömchen und Schubidu, aber hallolo und noch einen schönen, guten Tag.

Den Fernseher an. »Der Dax zeigt sich heute nur mäßig erholt, die Chemiewerte geben kräftig nach, nur die Automobilbranche gibt positive Signale an die Anleger, die Wetteraussichten: trübe und kühl, guten Tag meine Damen und Herren.« So oder so ähnlich wird der deutsche Medienbenutzer tagtäglich begrüßt. Erst die Schlagzeilen, dann der Gute Tag. Man stelle sich das einmal im privaten Umfeld vor, etwa auf einem Familienfest. »Onkel Georg leidet immer noch unter den Folgen seines Schlaganfalls, kann aber wieder erste Sätze von sich geben. Vetter Heinz ist dagegen beim Fremdgehen mit seiner Sekretärin ertappt worden, seine Frau hat die Scheidung eingereicht. Guten Tag, Tante Luise.«

Da lobe ich mir doch die Güle-Güle-Oma. Die Güle-Güle-Oma ist eine ältere türkische Dame, die die Kausalitäten unseres Alltags merklich hinter sich gelassen hat und die meiste Zeit auf einer Bank im Stadtpark verbringt. Die Güle-Güle-Oma trägt ein ehemals geblümtes Kleid, Kopftuch, Schlappen und ihre Habseligkeiten in einer Drogeriemarkt-Tüte mit sich herum. Zur Begrüßung sagt sie zu jedem freundlich »güle, güle«, was auf Türkisch »Auf Wiedersehen« heißt. Auch sonst sagt sie regelmäßig freundlich »güle, güle« – egal, ob Tauben zu ihren Füßen landen, ob sie mit einem immer wieder überraschten Blick ihre Besitztümer, zumeist Werbeprospekte, aus ihrer Tüte zieht, oder ob Kinder ihr mit einem Stock auf den Kopf hauen.

You say goodbye and I say einen schönen, guten Tag noch, frei nach den Beatles. Und güle, güle.