23.06.05

Magdi Aboul-Kheir

Knarren-Papi und wie er lernte, den Schwiegersohn zu entflammen

Als meine Tochter auf die Welt kam, sprach ich: In zehn Jahren kaufe ich mir eine Knarre. Als ich dann noch eine zweite Tochter bekam, schaute ich mich doch lieber sofort in Waffenläden um, man darf ja nicht alles auf die lange Bank schieben. Sonst steht plötztlich die Pubertät vor der Tür, mit ihr eine Horde dummdreistgeiler Pickelfressen, die meinem zarten und verletzlichen Nachwuchs an die Wäsche wollen, und ich stehe ohne Waffen da. Nichts da, ich sehe schon, wie ich als Söldner des Anstands nächtelang auf dem Balkon stehe und hormontriefenden Möchtegern-Stechern eine deftige Ladung Schrot in die lüsternen Lenden verabreiche.

Jetzt ist meine große Tochter vier, und ich habe bereits einen potenziellen Schwiegersohn. Dana und Jonas laufen händchenhaltend durch den Kindergarten, wollen sich jeden Nachmittag auf dem Spielplatz treffen und trennen sich dann nicht einmal, wenn einer der beiden Pipi machen muss - was ohnehin nie vorkommt, denn muss eine oder einer Pipi machen, muss die oder der andere automatisch auch. Das ist erste Liebe.

Nur mit dem gemeinsamen Hausstand klappt es noch nicht so ganz. Meine Tochter geht regelmäßig freudestrahlend mittags nach dem Kindergarten mit Jonas zu dessen Familie, wo sie dann etliche Stunden verbringt. Doch soll Jonas tags darauf zum Gegenbesuch bei uns antreten, ziert er sich, hängt sich heulend an die Schenkel seiner Mutti und sagt, er will nicht mit zu meiner Tochter. Höre ich recht? Dieser rotlockige Zweieinhalbkäsehoch, dieses laufradfahrende Hanswürstchen, schlägt meiner edlen Tochter die Gesellschaft ab? Was erlaubt er sich? Dankbar und stolz sollte er sein, dass meine Tochter ihn als Gefährten erwählt hat und er unsere Hallen mit seinen O-Beinen betreten darf. Aber nein, der Herr wirft sich flennend auf den Boden.
Wer außerdem heult, ist meine Tochter. Sie ist gekränkt, und sie hat recht.

»Warum will Jonas nicht zu mir kommen?«, schluchzt Dana.
»Vielleicht ist er doch nicht dein Freund«, sagt meine Frau; ein psychologisch fragwürdiger Ansatz, der als einziges eine Steigerung des Plärrpegels zur Folge hat.
»Er ist wohl mein Freund«, sagt Dana mit tränenerstickter Stimme zwischen Hoffen und Bangen.
»Aber es gibt doch noch andere Jungs.«
»Ich will aber keine anderen Jungs.«
Und damit ist meine Frau bereits gescheitert. Wie hat sie es mit ihren begrenzten Mittel nur geschafft, einen so anspruchsvollen Mann wie mich zu bekommen? Egal. Fest steht nur: Offenbar ist es an mir, dem weltgewandten Gynäkologensohn, dem armen Mädchen eine erste Lektion in weiblicher Geschlechterrituals-Taktik zu vermitteln.
»Du musst dir einen anderen Freund suchen und ihn einladen«, rate ich ihr, »wenn Jonas das sieht, will er ganz sicher mit zu dir.« Ich kenne doch die Männer.
»Nein, ich will keinen anderen Freund, blöde Idee«, schreit Dana, worauf ich gescheitert bin, und nun packt meine Frau mal wieder den Vorwurfsblick aus: »Das funktioniert vielleicht bei dir, aber nicht bei einer Vierjährigen.«

Am nächsten Tag fange ich die kleine Kröte Jonas auf dem Kindergartenvorplatz ab, um mit ihm von Mann zu Mann zu reden.
»Hör zu«, hebe ich an, »Dana besucht dich immer, aber du nie uns. Warum?«
»Weil ich nicht mag.«
»Dana mag dich gern, und du hast doch Dana auch gern.«
»Aber ich will nicht.«
»Das ist nicht nett.«
»Ich will nicht.«
»Komm doch einfach mal mit, bei uns haben wir viel Spaß.«
»Ich will nicht.«
Ist mein Schwiegersohn eine Memme oder ein Idiot oder eine idiotische Memme? Ich erwäge Drohungen und Ohrfeigen (ich sage natürlich ständig, ich schlage keine Kinder; aber das gilt nur für meine eigenen), entscheide mich dann aber für die schlichteste Lösung.
»Wenn Du heute mitkommst, bekommst du eine Tafel Schokolade.«
»Zwei Tafeln.«
»Okay.«
Ich sage doch, dass ich die Männer kenne.

Jonas kommt mit, Dana ist glücklich, und Papi tröstet sich mit dem Wissen, dass er eines Tages keine Schokolade mehr braucht, um die Jungs anzulocken, die er dann mit seiner Knarre wieder verjagen muss. Wehe, wenn nicht!

Diese Kolumne finden Sie auch in Magdi Aboul-Kheirs Buch »Papa fertig!« – zusammen mit einer großen Auswahl der beliebtesten Kolumnen (in neuen, teils stark erweiterten Fassungen), aber auch etlichen neuen Texten.