24.02.04

Magdi Aboul-Kheir

Svetlana, die dofe Vorze, und mein Zuludong

Sex, ja, ja, ja bitte. Evolution der Erregung. Peniles Feintuning. Genitale Fitness. Wenn Focus, sogenanntes Nachrichtenmagazin, uns aufklärt, geht es der glitschigen Sache auf den festen Grund. Fuckten, Fuckten, Fuckten. Alles erfahren über das Orgasmushormon Oxytocin, die Lustbremse Prolaktin. Schau her, der kosten- und platzsparende Viagra-Zerteiler. Über Vögel erfahren wir: Viele Arten haben Sex, auch wenn sie es nicht müssten. Der Mensch hingegen, der darf auf viele Arten vögeln.

Sex, ja, ja bitte. »Svetlana, du geile Luhder«, stand seit Wochen an einer Schaukel auf dem verlotterten Spielplatz im Park. Spuren einer sorglosen jungen Lust, eines unbeschwerten Glücks. Doch es ist etwas vorgefallen im Liebesleben von Svetlana und ihrem anonymen schaukelbekritzelnden Lover. »Svetlana, du geile Luhder« ist durchgestrichen. Stattdessen ist da jetzt zu lesen: »Svetlana, du dofe Vorze!«

Sex, ja bitte. Die tägliche Lyrik in der Mail:
Are you satisfied with the smallness of your love muscle?
Feeling depressed about the size of your love tool?
Unhappy with your short-comings?
Click here to enlarge length and widsth of your Willy!
Beef up the size of your Johnson!
Get the real Zuludong!

Habe ich einen Johnson? Einen Willy? Einen Zuludong habe ich, glaube ich, nicht. Muss mal nachsehen. Muss mal nachschlagen: Was ist ein Zuludong überhaupt? Google liefert für »Zuludong« 19 Treffer. Wir vergleichen: Für »Zimtschnecke« vermeldet Google 294 Treffer und für »Hermeneutische Textanalyse« 744. Für »Strapsluder« hingegen 12.000, für »Versaute Spiele« 285.000 und für »Blasen« 5,73 Millionen Treffer.

Sex, ach ja. An Raststättentoilettenkacheln lese ich Nachrichten wie »Ficke alles« plus Handynummer. Ficke alles, nicht: ficke jeden? Sex-Kolumnisten diskutieren darüber, ob Blasen mit heißem Basmatireis im Mund oder doch mit lauwarmem Uncle Benz angenehmer wäre. Angenehmer für ihn? Für sie? Für den Reis?

Sex, immer und überall. Ob man will oder nicht. Ich zum Beispiel will nicht immer und überall. Nicht mehr. Die Zeiten, als ich mich mit Mottenschutzpapier abrieb, weil laut Verpackung Sexuallockstoffe enthalten waren, sind lange vorbei. »Abstinenz ist für junge Leute ein sicherer Weg, sexuell übertragbare Krankheiten zu verhindern«, spricht US-Präsident Bush und will für Enthaltsamkeitsprogramme 270 Millionen Dollar jährlich ausgeben.

Sex, ich weiß nicht. Ist Kaffee nicht besser als Viagra? Bush hat recht: Für 270 Millionen Dollar gibt es viel mehr heißen Kaffee als lauwarme Viagraständer. Aber liegen Koffein und Kopulation nicht nahe beieinander? Ein Umfrage wollte kürzlich wissen: »Wie viele Deutsche denken bei der Frage: ›Kommst Du noch mit hoch auf einen Kaffee?‹, dass es sich um ein sexuelles Angebot handelt?« Das Ergebnis: 30 Prozent. Was so interpretiert wurde: Nicht einmal jeder dritte Deutsche denkt bei Kaffee an Sex. In Auftrag gegeben wurde die Studie von einem Kaffeeröster. Nicht nachgefragt wurde der umgekehrte Sachverhalt: »Wie viele Deutsche denken bei: ›Kommst Du noch mit hoch zum ficken?‹, dass sie einen Kaffee bekommen?« Vielleicht aber hätte das erklärt, weshalb das Tchibo-Symbol eher wie ein müdes Spermium denn wie eine duftende Kaffeebohne aussieht.

Sex, ach früher mal. Aber weshalb gab es, als ich jung und saftig war und nach Mottenschutzpapier roch, in meinem Leben keine dofe Vorze Svetlana? Weil ich keinen Zuludong habe? Kürzlich hörte ich, wie ein etwa 16-Jähriger auf der Straße zu seinem Freund sagte: »Ey, ich habe die Alte gestern voll gefickt. Hat jetzt Gehirnerschütterung.« Wer kann da schon mithalten?