26.01.11

Magdi Aboul-Kheir

Endlich neue Mitschülerinnen, die mich mit Lollis für die Hälfte geil machen

Wir wissen aus einschlägigen RTL2-Dokumentationen, dass Teenager und Adoleszente durchtrieben und verdorben sind. Aber für unseren Babysitter Andrea gilt das nicht. Andrea Schulze stammt aus einem braven, ja geradezu gottesfürchtigen Elternhaus. Sie ist ein höflicher Mitmensch, eine strebsame Bald-Abiturientin und eine verlässliche Aufpasserin für unsere Kinder – ganz gewiss weder durchtrieben noch verdorben.

Entsprechend geschockt bin ich, als ich auf meine ganz normale Mail-Anfrage an sie – »Hallo Andrea, kannst Du nächsten Donnerstag bei uns babysitten?« – Folgendes zur Antwort bekomme: »Hast Du genug von Deiner Ehe und suchst Vergnügen ohne Verpflichtungen?« Ich reibe mir meine Augen, doch da hat tatsächlich die nette, harmlose Andrea Schulze geschrieben: »Gerade volljährig geworden und offen für alles. Dann kann der Spass ja direkt losgehen!« Die hat es ja faustdick hinter den Ohren! Und seitwann hat sie als Mail-Provider nicht mehr t-online sondern »Moesenpower«?

Der Spaß geht dann doch nicht los, hingegen empfange ich Mails von Marion Schumacher (»Outdoorsex gehört zu deinen Lieblingsthemen und im Auto treibst du es auch gerne?«), Christiane Heinrich (»Lesbische Spielchen unter der Dusche, Lollis in der Muschi und freche Zöpfe«) und Gabriele Maier (»Ich Miststück habe es nicht besser verdient«). Moment. Ist Marion Schumacher nicht unsere Bäckerin? Und Christiane Heinrich die nette Dunkelhaarige aus dem Nachbarhaus? Wer ist nochmal Gabriele Maier?

Natürlich weiß ich, was Spam-Mails sind. Aber ich bin es gewöhnt, Spam zu erhalten von exotisch klingenden Absendern wie Domagoj Roz, Tesjuan Heijari und Akwei Loria, von Brannon Paljakka, Ivenstor Penelope und Trong Rojas. Und nun das: Ilse Simon, Heike Ludwig, Liselotte Ernst. Offenbar ganz normale Frauen aus deutschen Landen, die sich allesamt um meine primären Geschlechtsteile sorgen.

Ja, ja, ist schon klar, alles Fake-Accounts. Natürlich sind das keine Menschen, die ich real kenne, auch wenn sie den Namen unserers Babysitters, der Wurstverkäuferin oder der Grundschullehrerin tragen. Nur: Umgekehrt meinen sie mich zu kennen. »Magdi«, heißt es hin und wieder sogar im Betreff. Die Alumni-Seite Stayfriends lässt mich wissen: »Magdi, Sie haben neue Mitschüler«, und das überrascht mich, denn ich meine mich daran zu erinnern, bereits vor fast einem Vierteljahrhundert Abitur gemacht zu haben. Alles nur geträumt, und gleich werde ich von der Pausenglocke geweckt?

Und weshalb bekomme ich personalisierte Mail von »Strip-TV«? »Sonderkonditionen für Magdi« und »Magdi chattet mit«. Wahrscheinlich chattet er mit seinen neuen Mitschülern. Und der Online-Bezahldienst Paypal schreibt mir sogar: »Magdi Aboul-Kheir, noch schnell teilnehmen und Astronaut werden!« Woher wissen die von meinen geheimsten Berufswünschen?

Man fühlt sich manchmal schon ertappt. Ich lese: »Geile Dunkelhaarige machen Magdi für die Hälfte geil«. Ja, ich muss es ihnen lassen, den Internet-Werbeautoren, sie kennen mich sehr gut. Und so schreiben sie mir, dem Fastglatzenträger: »Die Kurzhaarigen sind die Wilden.« Wer sagt, dass in Spams nur dummes Zeug steht?