26.10.10

Magdi Aboul-Kheir

Inglürious Bastürks

»Haben Sie den Strudel hier schon gekostet?«
Ich zucke zusammen. Christoph Waltz steht neben mir und lächelt perfide. Der Christoph Waltz, der einem als SS-Mann Hans Landa in dem Kino-Reißer »Inglourious Basterds« das Fürchten lehrte.

Ich träume nicht. Christoph Waltz trägt sogar Uniform und blickt mir forschend in die Augen. Doch es ist keine Nazi-, sondern eine Kellneruniform und – vor allem – befinde ich mich in einem türkischen Urlaubshotel. Dieser Christoph Waltz ist ein türkischer Kellner, laut Namensschild heißt er Süleyman. Doch die Ähnlichkeit ist frappierend. Süleyman ist schmal und zierlich wie Waltz, hat den absolut gleichen Gesichtsschnitt, trägt einen Waltz-Landa-Scheitel und, wie gesagt, Uniform, allerdings mit dem Hotel-Logo statt SS-Runen.

Süleyman Waltz fragt freilich gar nicht wirklich »Haben Sie den Strudel hier schon gekostet?« wie in der haarsträubend spannenden Pariser Café-Szene des Tarantino-Nazi-Kriegs-Films, sondern »Wollen Sie noch etwas zu trinken?«. Ich sehe eben zu viele Filme und bin wirklich urlaubsbedürftig. Also bestelle ich mir ein Wasser, vertiefe mich in mein Buch und beruhige mich.

Nach wenigen Minuten blicke ich mal wieder auf. Und sehe Adolf Hitler am Nachbartisch sitzen. Scheitel, gestutztes Bärtchen, man kann es nicht anders als ein Hitler-Bärtchen bezeichnen. Wahrscheinlich ist er nicht in die Türkei gereist, sondern einmarschiert. Aber gehörte das Land nicht zu seinen Verbündeten? Und weshalb sieht er für seine 121 Jahre so jung aus?

Im Ernst: Mir reicht es jetzt. Warum um alles in der demokratisierten Welt läuft ein deutscher Tourist anno 2010 wie Hitler herum? Warum schneidet ihm die Ehefrau nicht nachts Bart und Haarschopf ab? Und was trinkt dieser unmögliche Mensch da für eine fiese rote Pampe? Es ist eine Art geeiste Fruchtlimonade. Sieht eklig lecker aus. Muss ich mal probieren. Wie heißt das Zeug denn? Ich stehe auf und gehe zu der Eissaft-Maschine. Sie hat einen Firmen-Aufkleber: »Nazikram«.

Später, in Deutschland, werde ich recherchieren, dass sich hinter der Internet-Adresse www.nazikram.com tatsächlich keine Fascho-Seite verbirgt, sondern ein türkischer Erfrischungsgetränkehersteller namens »Naz Ikram«, was soviel wie »Naz Bewirtung« heißt.

Aber im Urlaub bin ich fix und fertig: Sehe Hitler dabei zu, wie er SS-Mann Landa in Kellneruniform herwinkt und sich noch ein Glas Nazikram bringen lässt. Ich frage mich wirklich, wie man sich unter solchen Umständen erholen soll. Aber wenigstens weiß ich jetzt, was im Katalog unter »deutscher Animation« verstanden wird.