28.01.05

Magdi Aboul-Kheir

Die Rache der Bindenbrusse: Löker Pilzkodel und kleime Musche

Haben Sie Angst vor »Miesemuscheln«? Sie sind geil auf »Gemüsfikadelle«? Besteht Ihr trauriges Nachtmahl aus einem »Gramknödel«? Wer dachte, die internationale Gastronomie habe uns nach der »Bindenbrusse mit Pfuffern und sterilisierter Gurke« nichts Überraschendes mehr aufzutischen, sieht sich getäuscht. Deutsche Speisekarten in aller Welt haben noch viel mehr originelle kulinarische Köstlichkeiten zu bieten.

Wir beginnen in einem kleinen französischen Lokal, das als Vorspeise »Amüsiere Münder« reicht. Als familiären Hauptgang lassen wir »Lamm der Provence und seine jungen Möhren« folgen. Dass die Lämmchen ihre eigenen Möhren mitbringen dürfen, ist erfreulich, doch wir bevorzugen »Jungfräuliches Filetzauber mit Roquefortdüften« oder futtern »Ente – mit Tannenzpafen gefuttert«.

Würziger lieben es die Tschechen, wie Spezialitäten à la »Rostbraten Auspuff mit Erbsen und Knoblauch« und »Pikante Huhnerbrust Toifel« beweisen. Ob man danach den »Krabbentanz« aufführt, der im Nachbarlokal gereicht wird?

Was dem einen schwer im Magen liegt, ist des anderen Leibgericht. »Rehbock-Geweih mit Preiselbeeren garniert« etwa. Verzehrbar ist gemeinhin viel mehr, als wir hierzulande annehmen: »250g Stelze vom exotischen Vogel«. Ein hartes Mahl scheint auch »Holzteller mit Pommes frites« zu sein; gleiches gilt für »Marmorhafte Käsekugeln« aus Ungarn. Da nehmen wir lieber was Leichtes in der Balaton-Gaststätte, nämlich »Windspezialitäten«, auf die Gefahr der nachträglichen Geruchsbelästigung hin. Kindern serviert der Ungar übrigens »Hennebissen gabacken«.

Auch Zubereitungsarten differieren je nach Kulturkreis, das beweisen uns die Tschechen (»Gerosteter Brotranft, mit Knoblauch eingeseift«) und die Esten (»Hühnerfiletstücke auf Stange«, wohl frisch aus dem Stall), ganz zu schweigen von einem französischen Chinesen: »Übersprungene Nudeln Fu Kien & Schwein, das in Reis lackiert ist«.

So richtig sättigend geht es in der Tschechei und in der Slowakei zu, dafür sorgen die »Gegrillte Eiferfrucht« und eine schöne Portion »Ring- und Schweinfaschierte«. Wem herkömmliches Essen nicht ausreicht, mag sich die »Forelle mit Hemdchen« oder aber »Forelle mit Übergewicht« leisten, und dazu noch einen »Pilzkodel« und die »Brühe der Waldfee mit Frikadellen«. Weniger füllend sind die berühmten griechischen »Gefühlten Weinblätter«. Ebenso klingen »Scharfige Hühnerflügelbraten« nach zu wenig Fleisch.

Doch steckt da wirklich immer etwas Verzehrbares dahinter oder geht es um andere leibliche Freuden? Das Anaheim White House Restaurant in Kalifornien nährt diese Zweifel mit seinen Angeboten »Kleime musche in knoblauch« und »Grosse rohr pasta«. Passt da das große Rohr in die kleime Musche? Danach gibts auf jeden Fall ein »Eis mit löker und schlachsanne«. Löker, löker.

Ein tschechisches Lokal namens »Mona Lisa« serviert derweil mit rätselhaftem Lächeln »Pute, durchbacken Brokkoli sich Käse«, »Zorn Herrn Koch«, »Mysteriös Trio zweier Vielfraß« und vor allem »Abdünsten Brokkoli an Butter versiegelt mit Käse«. Reichlich seltsam kommt das einem vor, doch nicht so enigmatisch wie »Zwiebelpuffer der Stiefcousine von Indira Ghandi in Curryteig«.

Was zum Thema Kannibalismus führt, zu dem englischen »Weibfisch mit Sala« und der »Platte von mährischen Fleischräucher«. Ungenießbar klingt »Schweinekamm des Fleischers Kamm« und ganz gefährlich »100 g Touristenwurst«. In BSE-alarmierten Zeiten raten wir auch von dieser ungarischen »Junggesellenfängersuppe« ab: »Aus gewürfeltem Fleisch, Hühnerleber, gemischtem Gemüse und saurer Sahne bereiten wir ein Ragout zu, dass wir mit Schnittlauch und Kapern ein wenig verrückt machen.«

Wenig vielversprechend ist »Gekacktes vom Lamb mit Rosinen«, auch »Hochkommende Cannelloni mit Füllung« klingen nach Verdauungsproblemen. Leichter verzehrbar ist da schon ein indischer Tipp: »Das knochenlose Huhn, diente mit Salat«. Andere Spezialitäten der Inder, wenngleich verwirrende: »Meerefrüchte aus dem Stall« und »Fisch Goa sehr Schaf«.

Eine Drei-Sterne-Empfehlung für die Freunde kruder Kreationen ist das Restaurant Lucullus im belgischen Oostende. Wahlweise wird »Gerochnen Salm mit Union und Kruden« oder »Gerochenen Salm in wisch Bier« gereicht, gern auch »Kräfte in eigen Nat« und »Rippenstück von Lahm mit Mostherd«. Zur Beruhigung erfahren wir: »Das Brod ist in eigen Kuchen gebacken«.

Doch am allerbesten ist es, wenn auch die leidige Vergangenheit am Herd – wahlweise am Wok – bewältigt wird. In einem chinesischem Lokal im belgischen Gent sah ich einmal dieses leibhaftige Angebot: »Nazi Goreng«.