28.10.01

Magdi Aboul-Kheir

Es ist nicht leicht, ein Bayern-Fan zu sein

Ich bin Bayern-Fan.

Ein erster Satz, der das potenzielle Lesepublikum nur so wegschrumpfen lässt. Die eine Hälfte interessiert sich nicht für Fußball. Die andere schon, aber nicht für Bayern und wendet sich angewidert ab.

Trotzdem. Ich bin Bayern-Fan.

Fan. Ist ja ein Unwort. Fan steht für Schwärmerei, Anhimmeln. Für mangelnde kritische Distanz. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Objektiver Sachverstand, analytische Fußballkenntnis zeichnen mich aus. Sonst wäre ich ja nicht Bayern-Fan. Ein Satz, den die Bayern-Hasser hassen werden.

Aber wenn nicht Fan, was dann? Anhänger? Lastwagen haben Anhänger und Goldkettchen auch. Verehrer vielleicht? Verehrer, das klingt nach literarisch ranzigen Sätzen: Er verehrte schöne Frauen, rassige Pferde und schnelle Autos.

Bleibt eben nur Fan. Bayern-Fan.

Ein Satz wie eine Selbstbezichtigung. Nahezu undenkbar in Kreisen, die sich für auch nur halbbemittelt intellektuell und/oder politisch korrekt erachten. Eine Selbstbezichtigung. Ich schlage meine Mutter. Ich schände Tiefkühlhähnchen. Ich bin Bayern-Fan. Geradezu obszön.

Aus diesem Grund legen Bayern-Fans oft ein durchaus reflektiertes Rollenverhalten an den Tag. Sind zurückhaltend. Der Erfolg an sich genügt ihnen schon. Keine Überheblichkeit. Lieber eine Portion Selbstironie. Außer, wenn wir gewonnen haben. Was ja fast immer der Fall ist. Das war jetzt selbstironisch. Hat wieder keiner gemerkt.

Es ist nicht leicht, ein Bayern-Fan zu sein. Es ist nicht leicht, wenn auf die vielen, großen Siege eine unglückliche, unverdiente Niederlage folgt. Bayern-Hasser sagen gern, Bayern siege stets glücklich und unverdient. Das Gegenteil ist wahr. Und es ist nicht leicht, wenn auf eine der raren Niederlagen allerorts und allerseits Häme zu spüren ist.

Hinzu kommen die Momente menschlicher Schwäche, in denen wir unsere Vorliebe selbst hinterfragen (Vorsicht: schutzlose Ehrlichkeit eines Bayern-Fans). Wenn ein hirndumpfer Effenbergbaslermatthäus in Diskotheken oder auf dem Oktoberfest rumproletet; wenn ein Erfolgsmanager mit einen Gesicht, das von 420:195-Blutdruck und chronischer Verstopfung kündet, vom Leder zieht; wenn ein Olli Kahn humorlos jeden Ball, ansonsten grimmig den Mund hält. Oder einen Gegenspieler ins Ohr beißt, bei dem dann kurz darauf ein Hirntumor diagnostiziert wird.

Vor Jahren fand eine Ted-Umfrage statt, welcher der unbeliebteste Verein im Lande sei. Wer will das wissen? Wir wussten es außerdem schon vorher. Eine Woche später wurde gefragt, welcher der beliebteste Verein sei. Ebenfalls Bayern. Im Studio pfiff das Publikum. Gerüchte machten die Runde, Uli Hoeneß habe höchstselbst 17.000 Mal angerufen. Solch üble Nachrede tut weh.

Mein Freund G. ist Schalke-Fan. Er darf das sagen. G. sagt: »Ich bin Schalke-Fan«, und keiner pöbelt. Wir beide sind noch immer Freunde, was angesichts des vergangenen Saison-Finales zeigt, dass wir wahrhaft gute Freunde sind. Früher war das gar kein Problem, die Freundschaft des Bayern- und des Schalke-Fans. Wir spielten sozusagen nicht in der gleichen Klasse, zuweilen nicht einmal in der gleichen Liga. Samstags war das so: Bayern gewann, Schalke verlor. Nicht immer, aber meistens. Dann war G. traurig bis zornig und ich großmütig. Kein Wort über Fußball, bat er mich, wenn wir uns an diesen Samstagen abends trafen. Das hielt ich manchmal fast durch. Ab und zu gewannen beide Mannschaften, dann war G. zufrieden und ich auch. Ganz selten verlor Bayern, und Schalke gewann. Dann war G. glücklich und ich zeigte gönnerhafte Größe. Aber seit ein paar Jahren, seit sich Schalke ernsthaft vorgenommen hat, auch mal gut zu sein, ist das anders. Für G. ein Fortschritt. Für mich auch. Denn jetzt, wo sich die Konkurrenz ebenfalls anstrengt, Millionen für belgische und nigerianische Stürmer ausgibt und mächtig tönt, muss ich nicht mehr den Großmütigen geben. Wenn wir am Schluss dann doch die Nase vorn haben.

»Was will dieser arrogante Typ eigentlich?« fragen die Leser jetzt mit Recht. Die verbliebenen Leser.

Was der Bayern-Fan will? Er wünscht sich, dass ihm die anderen nach einer unverdienten, unglücklichen Bayern-Niederlage die Hand auf die Schulter legen und sagen: »Das war eine unverdiente, unglückliche Niederlage.« Er wünscht sich, dass ihm die anderen nach einem grandiosen Bayern-Sieg auf die Schulter klopfen und sagen: »Das war ein grandioser Sieg.« Er wünscht sich, dass auch die Anhänger anderer Verein zugeben, dass Olli Kahn der beste Torhüter der Welt ist.

Andererseits.

Andererseits wäre das vielleicht etwas langweilig. Denn andererseits ist es viel spannender, zu einer polarisierenden Randgruppe zu gehören. Der Neid der Bayern-Hasser ist auch eine Form von Anerkennung. Hinter ihrer Häme versteckt sich Hilflosigkeit. Wir müssen nur das Verhalten unserer Umwelt richtig zu deuten wissen. Dann bekommt derjenige sehr viel dafür, der sagt: »Ich bin Bayern-Fan.«

Auch wenn die Reaktion manchmal lautet: »Arschloch.«