29.12.02

Magdi Aboul-Kheir

Unterm Weihnachtsbaum, politisch inkorrekt

Baum, Lieder, Kerzen, Bescherung. Alle strahlen wie die Christbaumkugeln, doch dann. Für Unheil sorgt die neue, alte Puppe. Eine schwarze Puppe. Schwarze Haut, eigentlich eher braun, kunterbunte Kleidung. Hat Oma im Keller gefunden.
»Mit der hat früher Deine Mutter gespielt«, sagt Oma zur Enkelin. »Eine schöne ...«, Achtung jetzt das Unheil, »Negerpuppe«.
»Pscht!« ruft Mama.
»Nein!« ruft Papa.
Zu spät.
Das Kind, 19 Monate, mitten im neugierigsten Spracherwerb, hat ein neues Wort gelernt.
»Negga!«
Mama und Papa versuchen die Rettung. Aber wie sieht die aus? Politisch korrekt?
»Negga!« Klingt aus dem Kindermund auch noch wie Nigger.
»Nein, Maus, das ist eine, eine, äh ...« Afro-amerikanische Puppe? Blödsinn, wir sind doch nicht in den USA. Wir wollen hier doch nicht so einen linguistischen Wahnwortwitz treiben mit unseren, unseren, nun, dunkelhäutigen ausländischen Mitbürgern. Sieht ohnehin eher wie eine karibische Figur aus, der kleine ...
»Negga!«
Mama und Papa in heller Aufregung. Wie sagt man es nur dem Kinde?
»Maus, das ist eine farbige...«
»Negga!«
»Nein, nicht farbig, das ist auch falsch! Das heißt richtig schwarz. Maus, das ist eine schwarze Puppe. Ein schwarzer Mann.«
»Schwarza Negga! Negga, Negga!«
Der Opa lacht, das auch noch. »Lasst doch das Kind. Das denkt sich doch nichts dabei.«
»Ja eben. Himmel, Vater, halt Dich raus. Wer braucht denn so einen Nazischeiß?«
»Jetzt hat das Kind ein zweites Wort gelernt.«
»Natzi! Natzioppa!«
Das Kind tanzt um den Baum. »Negga und Natzioppa, Negga und Natzioppa.«
»Früher hätt's das nicht gegeben«, sagt Oma.

Diese Kolumne finden Sie auch in Magdi Aboul-Kheirs Buch »Papa fertig!« – zusammen mit einer großen Auswahl der beliebtesten Kolumnen (in neuen, teils stark erweiterten Fassungen), aber auch etlichen neuen Texten.