Das Schöne an Silvester ist, dass man als Mensch reift, dass man wirklich dazulernt und einen gewichtigen Schritt weiterkommt im Leben. Das geht ganz einfach, indem man seine guten Vorsätze mit Bedacht, doch zugleich schonungslos wählt und ihnen dann sofort ab Neujahr mit eiserner Konsequenz für den Rest seines irdischen Daseins treu bleibt. Das ist gar nicht so schwer, wie es klingt, denn man wird reichlich belohnt.
Vor drei Jahren habe ich mir vorgenommen, mehr auf Figur und Fitness zu achten. Schluss mit dem schwammigen Profil, den immer längeren Gürteln, dem Luftschnappen nach nur wenigen Treppenstufen. Kein Problem! Seitdem laufe ich jeden Morgen um halb sechs 15 Kilometer am Donauufer entlang, stemme zwei Mal wöchentlich Gewichte und ernähre mich vegetarisch-probiotisch-fettarm. Heute sieht Brad Pitt neben mir wie ein schwabbeliger Waldschrat aus, und der nächste New-York-Marathon kann kommen.
Vor zwei Jahren habe ich mir vorgenommen, keinen Alkohol mehr zu trinken, keinen Tropfen. Schluss mit den Kopfschmerzen, den Erinnerungslücken und dem vielen Altglas. Kein Problem! Wer braucht schon Bier und Wein und Schnaps, wenn er zwischen 24 stillen Wassersorten, Sauerkrautsaft, Mulitvitaminmolke und linksdrehender Ziegenmilch wählen kann. Und den Tag beginne ich ohnehin mit einem schönen Glas Eigenurin.
Vor einem Jahr habe ich mir vorgenommen, Spanisch zu lernen. No problema! Ich pflege einen regen E-Mail-Kontakt mit Brieffreunden in Alicante und Marbella, parliere fließend mit dem Ober vom spanischen Lokal um die Ecke, und bald werde ich meine Kolumnen selbst ins Spanische übersetzen.
Meine Frau sagt, nun sollte ich mir vornehmen, nicht mehr zu lügen. Kein Problem? Nun, dann müsste ich zugeben, dass ich zumeist fernsehschauend, biertrinkend und chipsmampfend auf dem Sofa liege, soviel wiege wie noch nie zuvor, der Aufzug mein bester Freund ist, und dass ich außer »Cerveza!« kein Wort Spanisch spreche. Vielleicht sollte ich mir etwas anderes vornehmen.