31.03.03

Magdi Aboul-Kheir

George W.s onomastische Offensive

Saddam hier, Sassam dort, Saddam fort. George W. hat Saddam Hussein eine verheerende Niederlage beigebracht – schon lange vor Kriegsbeginn. Mr. President hat den irakischen Diktator einer nachhaltigen Namenskastration unterzogen; er hat den Gegenspieler der so genannten freien Welt konsequent saddamisiert, ihm einen Teil der sicht- und hörbaren Persönlichkeit entzogen. Im Falle George W.s wäre zwar ein profanes Intonationsproblem naheliegend (»Hussein?«, »Husse-in?«, »Who is in?«), aber weder das noch etwaige Pietät gegenüber Jordaniens verblichenem Monarchen Hussein ist die Ursache. Es geht um Herrschaft, auch an rhetorischer Front. »Saddam«, das klingt auf Englisch wie ein Fluch. Mit einem Kaugummi im Mund gar wie »The Damned«.

Zur Antike war die Herrschaft und Vorherrschaft der Vornamen Norm. Die alten Karthager Hannibal, Hastrubal und Hamilkar, sie hießen halt so. Bis ins Mittelalter änderte sich da nicht viel. Zuweilen gesellte sich ein Adjektiv hinzu: »der Große« (Alexander), »der Kahle« (Karl), »das Kind« (noch ein Karl). Doch Alphabetisierung, Säkularisierung, Demokratisierung und Industrialisierung kamen, und mit ihnen mehr Mächtige mit Nachnamen, und mit ihnen wiederum differenzierte sich die Respektshierarchie in der Anrede. Der Vor- und Rufname zog sich vermehrt ins Private zurück. Tritt heute ein Vorname als öffentliche Bezeichung in Erscheinung, ist Signifikantes geschehen – jenseits von Popstars, Päpsten und Blaublütern.

Hitler, Synonym des hässlichen Deutschen, Ikone des Bösen, wird gern verharmlosend zum Adolf. Nicht unter Hitler, sondern »unterm Adolf wäre das nicht passiert«. Und der Adolf hat auch die Autobahnen gebaut. Wenn, wie kürzlich, ein deutscher Springreiter auf Adolf siegreich durch den Parcours galoppiert, lässt das aufhorchen – war wohl ein Brauner, der Vierbeiner.

Die onomastische Saddamisierung ist also nicht mit der geschichtsklitternden Adolfisierung des Mörderischen zu verwechseln, und auf keinen Fall mit der Vornamensliebkosung der Art Boris (nicht Jelzin) und Steffi. Die bedeutet zärtliche Vertrautheit mit dem Volksidol, geht mindestens zurück auf Fußballerschädel »Uns Uuuuwe« und lebt in Gestalt der Teamcheftante Käthe »Ruuuudi« weiter. Und der ewige Kanzler Kohl, vorzugsweise als »Birne« veräppelt, wurde wiedervereinigungspopularisiert vor allem in den neuen Ländern zum »Helmut«. Da kann sein Nachfolger, seinen populistischen Trieben zum Trotz, nicht mithalten; der hat es abgesehen vom zwanghaften Genossen-Geduze auf Vornamenebene nur zum zweifelhaften Ruhm der Gerd-Show gebracht. Und Angi? Oh je. Guido? Oh je. Jürgen W. Oh weh, oh weh.

Von den großen Bösen entging übrigens ausgerechnet Adolfs Antagonist Stalin der Namensentwertung. Josef, der Schlächter? Da waren wohl die Katholiken vor.