Ich habe lange keine Kolumne mehr geschrieben. Man hat mich liebevoll erinnert. Zärtlich ermahnt. Leise an meiner Tür gekratzt. Doch ich antwortete nicht. Ich war zweisilbig geworden: Da-da. Ma-ma. Ka-Ka. Und eines Tages auch: Gur-ke. Selber Gurke, denkt wahrscheinlich mein bislang geduldiger Verleger von mir und schickt erst einmal keine freundlichen Ermunterungen. Dachte ich.
Doch dieser Verleger ist nicht verlegen, schon gar nicht darum, seinen Autorinnen unkonventionell auf die Sprünge zu helfen. Denn er kennt sich aus mit launigen Schreibern und maulfaulen Autorinnen und beginnt inkognito, mich zu manipulieren. Mich aus meiner Babypause zu holen, meine geheimsten Phantasien zu benutzen, um mir ein paar Zeilen zu entlocken.
Zuerst stattet er sich mit einem guten Dutzend Decknamen aus, darunter irreführend-einfallslose wie »Sarah« oder »Pussycat«, danach auch faszinierend-verquere wie »Empfänger« oder berühmte wie »Charlotte Rampling«. Unter solchen Pseudonymen beginnt er jetzt, nach und nach seine perfide Post in meinen elektronischen Briefkasten tröpfeln zu lassen.
Und endlich trifft er mich, wo ich am verwundbarsten bin. Denn der Bleistift zwischen meinen Fingern ist nur ein kläglicher Ersatz für etwas, das mir die Natur zwischen den Beinen versagte. Ja. Ich kann nicht im Stehen pinkeln, jedenfalls nicht ohne kleine Fleckenzwerge auf meiner Hose zu hinterlassen. Ja. Ich kriege keinen hoch, weil ich keinen habe.
Mein Verleger hat einen. Und schämt sich deshalb nicht, mich mit Betreffzeilen in seinen anonymen E-Mails aufzumuntern, die mir »more confidence« versprechen oder »s/a/t/i/s/f/a/c/t/i/o/n« mit »100% Safety« oder »Get-a-massive-P«. Die wiederum gibt es nur auf Internetseiten mit Adressen, die keinerlei Vokale enthalten. Wahrscheinlich so wie mein Verleger, wenn er ohne neue Kolumne von mir verzweifelt mit den Zähnen knirscht: Grr, trrz, mmmpf! So klingt auch mein zahnloser Sohn vor dem Pastinakenbrei. Das rührt jetzt doch an mein Mutterherz. Also draufgeklickt.
Und – wer hätte das gedacht? – schon kommen aufreizende Flash-Animationen von Angélique und Lola, die mir die fehlenden Ohs und Ahs anbieten:
Modell »Ranicki« zum Beispiel, faltig und mit keinen Borsten, soll ungeahnte intellektuelle Höhepunkte schenken. Klick. »Houllebecq« präsentiert sich klein und grau, »für alle, die die Lust der Einsamkeit bevorzugen«. Es heißt, Strindberg soll in einem seiner Werke autobiographisch geprahlt haben, mit 16 Zentimetern. Klick-klick-klick. Da ragt er schon heraus, zwischen »Shakespeare« (für verlorene Liebesmüh'n?) und »Timm« (haha, der mit der Currywurst). Schon erstaunlich, wie groß die Zahl der Lustobjekte ist, mit denen babymüde Autorinnen neue Lust aufs Schreiben bekommen sollen. Sehr beliebt – glaubt man den Sternchen hinter dem Artikelnamen – scheint zurzeit das Modell »Sick« zu sein. Besonders flutschig, wiederaufladbar und mit ganzen drei Jahren Garantie auf die Gebrauchsanweisung. Klick.
»Zufriedene Kundinnen« schwärmen in farbig unterlegten Blöcken auf der Startseite, dass sie schon fünf literarische Vibratoren von diesem Händler bestellt haben. Ich würde gerne mal eine besuchen und fragen, ob sie die auch alle benutzt hat. Man kennt das ja: Die meisten stellen sich die dicksten Dinger auf den Nachttisch, um damit anzugeben, und in Wirklichkeit haben sie sie nicht einmal für fünf Minuten eingeschaltet. Und dann sähe ich gern Frau Heidenreich »Lust auf Literatur« im Dritten moderieren, mit den aktuellen Modellen. Da könnte sich die unbemannte Literatin endlich ein objektives Bild von der deutschen Befriedigungsszene machen.
Klick. Ich gehe zu meinem Warenkorb. Die subtilen Methoden meines Verlegers haben gewirkt. Sie wollen wissen, was drin ist?
Welche drei würden denn Sie mit auf eine einsame Insel nehmen?