16.12.04

Nicole Franz

Mach dich knackig

Endlich weiß ich, wie alt ich bin. Ich meine, wie alt ich wirklich bin. Denn wer sich wie ich über die Seite rollend aus dem Bett aufrichtet, entwickelt irgendwann auch Misstrauen gegen das eigene Geburtsdatum.

Also ließ ich auf der Internetseite eines großen deutschen Wochenmagazins mein »biologisches« Alter errechnen. Im Gegensatz zum biografischen darf man hierfür nicht einfach nur gemütlich vor sich hin altern. Man muss die richtigen Antworten kennen im großen Alterstest von »Wer wird Pensionär?«

Esse ich mehrmals täglich Obst und Gemüse? Bete oder meditiere ich regelmäßig? Trockne ich nach dem Duschen auch die Zehenzwischenräume ab? Na, wenn ich dadurch jünger werde. Nach Frage 7 weiß ich, was passiert, wenn ich die Haut auf meinem Handrücken mit zwei Fingerspitzen hochhebe und dann schnell wieder loslasse. Vermutlich brachte es mich mindestens ein halbes Jahr nach vorne, dass ich b) ankreuzen konnte: »Meine Haut tut nicht weh, macht beim Zurückschnippen kein Geräusch und bleibt auch nicht als Hörnchen stehen.« Entschuldigung, Sie haben da ein Hörnchen auf dem Handrücken, darf ich Ihnen über die Straße helfen?

Auch »einschneidende Erlebnisse« sollen sich unangenehm auf das biologische Alter auswirken, »z.B. Todesfall, Scheidung, Umzug«. Ach du liebe Lebenszeit! Kein Wunder, wenn demnächst auf den Lastwagen der Umzugsunternehmen der gleiche Warnhinweis angebracht wird wie auf Zigarettenschachteln: »Umziehen kann tödlich sein.« Und wie viele Greise hat wüstenrot wohl schon auf dem Gewissen? Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – wohl unter der Erde. Da könnten die neuen eigenen vier Wände schnell aus Eichenholz sein.

Als wenn es nicht schon genug ist, dass man in diesen Tagen allerorten ausgezählt wird: nur noch fünfmal schlafen bis Weihnachten, nur noch ein paar Atemzüge bis zum Ende der steuerbefreiten Lebensversicherung, nur noch drei Seufzer bis zur letzten Folge von »Sex and the City«. Die meisten Menschen sterben in den Wintermonaten. Mich wundert das nicht.

Dagegen freue ich mich wie Daniel Superstar, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum auf meinem Joghurtbecher auf meinen Geburtstag fällt. Das war schon immer so, und ich finde mich zugegebenerweise auch etwas schrullig deswegen. Aber führt mir hier nicht die Molkerei meines Vertrauens auf sehr appetitliche Weise meine Sterblichkeit und die meines Milchproduktes vor Augen?

Letztere läute ich allerdings immer vorzeitig ein. Biologisches Alter? Verputzt! Da hat es der Kuh mal gar nix genutzt, von den gesunden bayrischen Almen zu futtern und die Himbeeren können von noch so pingelig ausgesuchten Obstbauern kommen.

Mir dagegen liegt noch die Welt zu Füßen. Denn am Ende des Fragebogens erfahre ich mein biologisches Alter. Dank trockener Zehenzwischenräume und schnippig-geschmeidiger Händehaut – so vermute ich frech – bin ich erst 13.