04.03.08

Wilhelm Ruprecht Frieling

Dauergeil in Palma
(Briefe aus Palma, VIII)

Wenn im Hafen von Palma eine Yacht bei absoluter Windstille heftig schunkelt, dann ist vielleicht gerade »Blaskönigin Nora« am Werk. Ebenso gut ist möglich, dass der Swingerclub »Elixir de Fuego« sein Programm »für Einsteiger zum Schnupperpreis« durchzieht. Oder »Tanya, 23, total verdorben« entzündet die rote Laterne und empfängt auf ihrer Jolle. Vielleicht legt aber auch die auf »seriöse Herren« spezialisierte 24jährige Ivona (»Perfektfigur, 1,66 m, 48 kg, sexy, extraklasse«) gerade Hand an Kapitän und Steuermann.

Wer sich auf Mallorca langweilt, den Abend nicht allein verbringen will oder von einem plötzlichen Bedürfnis gequält wird, der findet im Anzeigenpark der deutschsprachigen Wochenzeitung »Mallorca Magazin« zwischen Angeboten vom »Palmendoktor« und dem »Brustvergrößerungs-Center« alles, was das Herz begiert. Soeben sind beispielsweise »sehr hübsche Transvestiten« neu in Palma eingetroffen: »Natalia, sehr weiblich und Expertin in Erziehung, führt Dich ein, demütigt Dich und erzieht Dich.« In ihrem Tross arbeiten die »Neuheit« Dalma (»sehr verdorben«), Vanesa (»Exotin, sehr verdorben, 23 cm real«) sowie Paloma (ebenfalls »sehr verdorben«, aber, und das lässt hoffen: »unkompliziert«). Palma munkelt, dass dieser Konvoi der Schönheit den im heimatlichen Deutschland in Ungnade gefallenen Steuersündern nachreist, um die Not leidenden Herren im Stress mit den Behörden zu entspannen.

Wer seine Yacht hingegen gerade im Trockendock parkt oder in einer anderen Klasse spielt, der bestellt die Dienerinnen der Lust ins Hotel oder in sein apartamento. »Hier werden Sie geholfen« veronat ein »Traumgirl aus Deutschland«, das »inselweit« besucht. Eine englisch sprechende »heiße Latina« will einen »unmoralischen Urlaub« verbringen und kommt dazu ins Hotel. Nicky (19) ist ein »heißer Teenie«, der »in geiler Wäsche« kommt und »zu allem bereit« ist. Es gibt Russinnen, Afrikanerinnen und Lateinamerikanerinnen, die auf der »Insel der Ruhe« ihre Körper einsetzen. Dabei geht es natürlich auch immer noch eine Spur kultivierter: »Elegante Frau mit mädchenhafter Ausstrahlung empfängt und besucht den niveauvollen Herren«.

Alle Inserenten sind selbstredend »total verdorben«, »nimmersatt« und »dauergeil«. Der Pornoprosa sind keine Grenzen gesetzt. »Obszöne dauergeile Strapsträgerin will immer und ist immer feucht.« Die Lady definiert sich als »verdorben, aber mit Stil«. Lolita, 18, eine »lasterhafte Studentin« beschreibt ihren Service wie in einer Diplomarbeit: »Ich empfange Dich in meinem sehr kurzen Schottenrock. Nylonstrümpfe und High Heels, rasiert und ohne Höschen. Lange Haare, einladende Lippen und tolle Brüste. Wenn Du willst, knie ich vor Dir nieder, danach machen wir weiter, bis Du nicht mehr kannst. Ich bin allein, niemand wird uns stören.« Konkurrenz wird ihr jedoch von einer angeblich Neunzehnjährigen gemacht, die »den ganzen Tag nur Sex« will und sich bereits für fünfzig Euro spreizt, »weil es mir gefällt«.

Aus purer Lust sind die immer feuchten Liebesdienerinnen auf Mallorca angeblich unterwegs, und auch die Herren der Schöpfung halten nicht hinter dem Berg mit ihren Angeboten. Erick, Felipe und Victor laden in den »Harem der Lust« und beglücken dort Adam und Eva mit Hingabe. Auch sie bedienen ihre Kundschaft nach dem dauergeilen Motto »Allzeit bereit – immer bereit«.

Die klassische Form, um auf Mallorca sexuellen Druck zuverlässig abzubauen, ist allerdings immer noch der Besuch in einem »Casa privada«, einem Privatpuff, den es nahezu an jeder Ecke und in jeder Preisklasse gibt. Üblicherweise werden Geschäftsabschlüsse auf der Sonneninsel mit einem gemeinsamen Besuch einer solchen Einrichtung gefeiert, und es hält sich das Gerücht, dass die mediterrane Siesta nur deshalb so lang dauert, damit die Herren der Schöpfung einen mehrstündigen Abstecher in eine dieser Lustgrotten unternehmen, währenddessen Frauen ihre Liebhaber empfangen können. Selbstredend gibt es auch für diese Art der Unterhaltungskunst diverse Angebote im »Mallorca Magazin«.

»Casa Ines« lockt mit »explosiven, hübschen Mädchen« in eine nach dem Erzbischof Aspargo benannte Strasse. Dort zählen sogar kirchliche Würdenträger zu den leidenschaftlichsten Gästen. Kein Wunder, denn unter dem Zölibat entwickeln sich die krudesten Leidenschaften. Der Schwesterclub »Casa Irene« befindet sich gleich um die Ecke. Jedoch das »mit Abstand Beste, was Malle zu bieten hat«, so meint jedenfalls Leserbriefschreiber Thomas, liegt an der Ausfallstraße nach Valldemossa und nennt sich »Dolce Vita Mallorca«. Satt und zufrieden urteilt der Kunde: »Ich kenne so ziemlich jeden Laden auf der Insel und muss euch einfach mal ein Kompliment aussprechen. Eure Mädels sind topp, euer Ambiente ebenfalls und was mir am meisten gefallen hat, dass man sich bei euch um die Gäste kümmert.«

Ob Don Angelos Hostessen (mit Visa-Karte), Table-Dance-Bars (durchgehend bis fünf Uhr morgens geöffnet), »VIP Escort« mit Cindy (»I will make all your dreams come true«) oder »Chica Leny« mit »Komplettservice«, Mallorcas Inselhauptstadt bietet einsamen Herzen und jedem Geldbeutel das Passende.

»Wir machen Ihre Zähne gerade« inseriert schließlich noch die »Clinica Orthodonica«. Um welche speziellen sadomasochistischen Liebespraktiken es sich hierbei wohl handeln mag? – Oh, pardon! Wir haben den Rotlichtbezirk verlassen. Jetzt bin ich doch versehentlich bei der Lektüre des Inselmagazins in die auf »Kontakte« im Alphabet folgende Anzeigenrubrik »Medizinische Versorgung« gerutscht!