21.02.11

Wilhelm Ruprecht Frieling

Hurra, ich kauf mir einen Doktorhut!

Verehrter Leser, geliebte Leserin,

bis heute haben Sie, und ich gestehe dies mit leichtem Erröten, aus meiner Feder unakademische Texte ohne wissenschaftlichen Tiefgang ertragen. Das soll sich radikal ändern. Ich habe mich nämlich am Wochenende entschlossen, ratzfatz zu promovieren, und das bedeutet im Klartext: ich werde Doktor!

Diesen Schritt gehe ich keinesfalls aus Eitelkeit oder um mir den Einstieg in Politik und Wirtschaft zu erleichtern. Weit gefehlt! Für den Fall könnte ich besser einen Adelstitel kaufen und mich künftig Graf von und zu Googleberg nennen. Mein Entschluss »entspringt einer ungewöhnlichen Verkettung von Glücksfällen«(1) und bildet den Grundstein zu einer grundsätzlichen Aufwertung meines publizistischen Lebenswerks.

Tiefe Sorge um den Leumund meiner Heimat als »Land der Dichter und Denker« bringt mich wie einst schon Heinrich Heine um den erquickenden Nachtschlaf. Es geht aktuell um die Bewahrung des guten Rufs Deutschlands als Wissenschaftsstandort und um die Anerkennung der vielen fleißigen Doktoranden, die sich teilweise Jahre schinden, um eigene wissenschaftliche Leistungen zu Papier zu bringen. Darum, und nur darum will ich künftig ebenfalls ein bekennender Doktor sein und mich auch so nennen dürfen!

Meine beruflichen sowie meine ehe- wie außerehelichen Pflichten lassen mir zwar kaum Zeit für eine derartige Sisyphusarbeit. Gleichwohl habe ich mich entschlossen, die zur Erlangung des Doktortitels notwendige Facharbeit im Laufe der kommenden Woche eigenhändig zusammen zu stellen. Zur Absicherung meiner Dissertation habe ich mir sogar den nützlichen Leitfaden »Die Doktorarbeit: Vom Start zum Ziel«(2) besorgt und beim Frühstück darin geblättert.

Sprachlich müsse ich mich künftig einer »Konvention der Kühle«(3) bedienen, steht dort. Nun: cool zu sein, das fällt mir leicht. Eines meiner wissenschaftlichen Vorbilder, der Außerirdische Alf, sagt gern »Null problemo« in einem derartigen Zusammenhang. Ich fragte also die Stiftung Warentest und investierte eine Tüte Euronen in eine mit »Gut« bewertete Portion von Wellas »Shockwave Massiv Wonder-Gel«. Dieses Wundermittel wirkte ich mir in die Haare und glänze seitdem wie die deutsche Kriegsfeldhaubitze 2000, die am afghanischen Hindukusch auf Beute lauert.

Weiterhin konsultierte ich »Latein für Dummies«, ein anerkanntes Fachwerk der lateinischen Umgangssprache. Dort fand ich den Sinnspruch »Rem tene, verba sequentur« (»Behalte die Sache im Auge, die Worte stellen sich dann von selber ein«). Dies sprach einst der olle Konsul Cato Censorius, und daran werde ich mich halten.

Schließlich kommt mir zugute, dass »ein großer Teil der wissenschaftlichen Arbeit … unsichtbar«(4) ist. Unsichtbar bleiben soll vor allem, dass ich meine Arbeit vollständig aus dem Internet kopiere. Das wird allerdings schon deshalb glatt gehen, weil ich eine ebenso intelligente wie bildhübsche junge Studentin für das textliche Make-up engagiert habe.

Das Maschinenfräulein reichert den Text mit farbenfrohen Füllwörtern an, fügt klingende Worthülsen ein, und gruppiert Subjekt, Prädikat und Objekt der jeweiligen Sätze formstabil um. Sie kann sogar An- und Abführungszeichen sauber setzen und beherrscht das wissenschaftliche Zitieren. Mehrfach hat diese Wunderblume derartig prächtige Arbeiten erfolgreich erledigt. Das garantiert mir: sie kann Textstellen so raffiniert verändern, dass sie selbst gebildeten Suchmaschinen verborgen bleiben.

Ich habe ihr für ihren Job ein motivierendes Liedchen verfasst, und das geht so: »Guttenberg und Hegemann / Spielen gern den Biedermann / Keiner haut mehr in die Taste / Denn es gibt doch Copy - Paste! / Ach, wie steht mir doch so gut / solch ein fescher Doktorhut.«

Mogeln sei übrigens inzwischen wissenschaftlicher Standard, behauptet ein in diesen Dingen erfahrener Kumpel, dessen fachmännischen Rat ich einhole. Der Herr Doktor weiß, wovon er spricht, er hat die Möglichkeiten des Internets beim Textvergleich unterschätzt. Seinen Doktorhut hat er deshalb inzwischen an den Nagel gehängt und mit dem schützenden Stahlhelm getauscht. Dafür hat er es aber auch zum Kriegsminister gebracht, und ein Massenblatt mit vier Buchstaben schwört, ihn zum Kanzler oder Kaiser wählen zu wollen.

Karl-Theodor Xerox zu Googleberg-Guttenberg meint, die Leute seien heute neidisch auf jeden, der es mit Fleiß zu etwas gebracht habe und schauten genau hin, um vom eigenen Versagen abzulenken. Würde ich wegen Abschreibens erwischt werden, müsste ich eben nachsitzen. Außerdem würde mein honoriger Titel von meiner Internetseite gelöscht. Im Extremfall könnte es dazu kommen, dass mir der mühsam erworbene Titel sogar aberkannt würde.

Ich gebe meiner geneigten Leserschaft mein heiliges Ehrenwort, Vorsorge zu treffen, damit alles gut geht! Singen wir also gemeinsam vielstimmig im Chor »Ich kauf mir heute einen Doktorhut, der steht mir so gut, der steht mir so gut«, damit ich Sie bereits in der nächsten Woche begrüßen darf als

Ihr ergebener

Dr. Ruprecht Frieling

Wissenschaftliche Fussnoten:

[1] Vorwort des Verlages Duncker & Humblot zu Karl-Theodor von Guttenbergs Doktorarbeit »Verfassung und Verfassungsvertrag«

[2] Messing/Huber »Die Doktorarbeit – Vom Start zum Ziel: Lei(d)tfaden für Promotionswillige« 4., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer Berlin, 2007

[3] Messing/Huber a.a.o. S. 126

[4] Messing/Huber a.a.o. S. 63