31.01.09

Wilhelm Ruprecht Frieling

Im Würgegriff der Mafia

Ich wurde beraubt. Ich wurde geplündert. Ich wurde ausgenommen. Sieben Mal innerhalb weniger Minuten fiel ein schmieriger Ganove über mich her und bestahl mich. Nach jeder Attacke war ich um glatte 100.000 Taler ärmer. Im Nullkommanichts wurde mein Barvermögen um insgesamt siebenhunderttausend geschmälert. Ich schäume vor Wut. Batters heißt das Schwein, das es wagte, mich zu attackieren. Dreist hat er auch noch seine Visitenkarte an meine Tür geheftet. Jetzt wird er mich kennen lernen. Ich heuere einen Auftragskiller an, ihn auszulöschen und lobe ein Kopfgeld aus. Gleich wird er spüren, wen er sich als Gegner ausgesucht hat. Dabei muss ich mir selbst nicht einmal die Finger schmutzig machen.

Knapp zehn Minuten später meldet sich ein Herr Russiak bei mir. Der Profi hat es Batters richtig besorgt und kassiert seine verdiente Prämie. Herr, es gibt wieder Gerechtigkeit. Jetzt wird der Eindringling Ruhe geben. Doch was ist das? Schneller als gedacht, steht Batters schon wieder vor meiner Tür und versucht, sie aufzuhebeln. Der Straßenräuber scheint über ungeahnte Kraftreserven zu verfügen. Warte nur, Bürschchen, dir hetze ich gleich noch einen Meuchelmörder auf den Hals! Erneut lobe ich ein Preisgeld aus, und nach wenigen Atemzügen ist Batters erneut platt gemacht. Begrab dich, du Würstchen!

Erst gestern Abend habe ich Big Mama Zementschuhe verpasst. Sie und ihre Brut kamen aus dem Nichts und hatten es ebenfalls auf mein Bares abgesehen. Doch an meinen Sicherungsmaßnahmen biss sich die Mama die Zähne aus. Dafür habe ich sie gleich darauf persönlich besucht und zusammen gestaucht. Anschließend schickte ich ein paar professionelle Schläger vorbei, um es ihr richtig heimzuzahlen. Big Mama wird mich so schnell nicht vergessen und wohl nie wieder an mein Bein pinkeln.

Dabei kann ich gelegentliche Verluste durchaus verschmerzen. Ich besitze inzwischen zwölf Casinos, sieben Fünf-Sterne-Hotels, vier Bürotürme, diverse Spezialitäten- und Souvenirläden, Restaurants und Wohnblocks. Mein Nettoeinkommen beläuft sich auf 4.401.054 Dollar – und zwar alle 54 Minuten. Da lässt sich ein einmaliger Diebstahl von 700.000 leicht verschmerzen. Ach, der selige Bert Brecht hatte unbedingt Recht, als er rhetorisch fragte, was denn der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei.

Es geht mir dabei streng ums preußische Prinzip und in erster Linie um meine Ehre. Wer sich an meinem Eigentum vergreift, der bekommt es mit mir zu tun. In diesem Punkt verstehe ich keinen Spaß. Schließlich bin ich Mitglied der Mafia, und bei diesem Verein geht es knallhart zu.

Nachdem mich ein Pate angeworben hatte, begann ich meinen Aufstieg in der Ehrenwerten Gesellschaft mit Straßenraub. Mal wurde ein Tante-Emma-Laden ausgeraubt, ein Auto gestohlen oder Schutzgeld eingetrieben. Das waren kleine Fische, die Kleingeld abwarfen. Dafür habe ich sofort Waffen gekauft. Juwelenraub, Banküberfälle und LKW-Diebstähle waren die nächsten Stufen auf meiner Karriereleiter. Ich musste irische Kraftpakete und haitianische Drogendealer aus meinem Bezirk verjagen. Alkoholschmuggel und das Betreiben illegaler Glücksspiele wurden begleitet von Brandanschlägen und Waffenschiebereien. Durch die Hinrichtung rivalisierender Gangster verdiente ich mir das Vertrauen meiner Familie. Sogar in die Politik stieg ich ein und beseitigte den einen oder anderen Lokalpolitiker, der im Wege stand. Ich erpresste Geld mit kompromittierenden Fotos, hörte Telefone ab und entführte Millionärssöhnchen. Mittlerweile bin ich zum Capo aufgestiegen und befasse mich mit delikaten Aufgaben wie dem Auslöschen von Zeugen und der Beseitigung von Leichen.

Geld verdiene ich als Mafioso ohne einen Finger krumm machen zu müssen. Ich investiere ausschließlich in Waffen und Grundstücke. Daraus fließen mir Erträge in Millionenhöhe zu. Allerdings muss ich wachsam sein und darf meinen Posten keine Sekunde aus den Augen lassen. Sonst kommen hungrige Heuschrecken wie Big Mama und Batters und rauben mich aus. Deshalb habe ich so etwas wie eine innere Uhr entwickelt, die alle 54 Minuten klingelt und mich meine Einnahmen zählen lässt. Umgehend verausgabe oder bunkere ich die Moneten, um sie vor dem Zugriff gieriger Hände zu schützen. Dann kann ich wieder ein paar Minuten aufatmen, bevor ich erneut auf Streife gehe.

Inzwischen ist es so weit, dass ich bereits vor dem Frühstück meine Buchhaltung konsultiere und das in der Nacht eingegangene Vermögen sichte. Dabei kann es zu bösen Überraschungen kommen, denn die Mafiosi von der anderen Seite der Erdkugel sind nachtaktives Gelichter. Während ich schlafe, werde ich von amerikanischen, japanischen und philippinischen Straßenräubern belauert, aufgespürt, gejagt und geplündert. Unter drei Stunden Schlaf schaffe ich es selten, und meine Träume sind unruhig. Ich überlege daher, ob ich einen Freund bitte, nachts Wache zu schieben und meinen Reichtum zu verteidigen.

Die Zeiten sind hart, und es fällt schwer, hauptamtlich Pate zu sein. Ich hocke bis an die Zähne bewaffnet vom Morgengrauen bis weit nach Mitternacht vor meinem Rechner und übe mich im Straßenkrieg. Tja, das Spiel, in das ich mich auf der Visitenkartenplattform »Facebook« hinein locken ließ, heißt wohl aus gutem Grunde »Mafia Wars«. Statt sinnvollen Tätigkeiten nachzugehen, habe ich mich als digitaler Mafioso anfixen lassen und bin nun süchtig nach dem Aufstieg in ungeahnte Höhen der Verbrecherwelt. Doch Schluss jetzt. Die Unterwelt ruft! Diese Kolumne fällt deshalb ungewöhnlich kurz aus. Ich muss mich jetzt und sofort wieder in meine Räuberhöhle klicken und nach dem Rechten sehen.