01.07.09

Till Frommann

Arme Supermarktkassiererinnen mit Piepen im Ohr

Auf dem Grabbeltisch der Gefühle liegt der Hass meistens ganz oben, und im Supermarkt schieben Supermarktkassiererinnen den gesamten Hass der Gesellschaft über den Scanner. Dann piept es – der Hass hat einen Preis.

Ich hasse im Supermarkt meistens nur aus Versehen. Zum Beispiel neulich. Der Scanner scheint kaputt zu sein, nichts piept mehr. Ich gebe einen fachmännischen Tipp. »Hauen Sie doch einfach mal drauf.«, sage ich, und die Kassiererin haut sehr sachte auf das Einlesegerät. Das hat nicht geklappt. Ich weise sie darauf hin, dass sie ihre gesamte Kraft aufwenden müsse, damit das hilft. »Sie müssen stärker drauf hauen«, erkläre ich ihr, und sie haut stärker auf die defekte Technik eines defekten Kapitalismus.

Die Chefin kommt angerast. Was hier los sei, möchte sie wissen, und sie bekommt die korrekte Antwort, dass der Scanner nicht mehr funktionieren würde. Und jetzt kommt mein aus Versehen entfliehender Hass ins Spiel.
»Sie hat ja auch mit aller Kraft draufgehauen«, erkläre ich überaus entrüstet. Und schäme mich. Das ist nicht nett gewesen. Ich bin zwar nicht Stromberg, aber in dieser Situation trennte mich fast nur die Halbglatze von ihm.

Einem Freund von mir ist ebenfalls, hoffentlich genauso aus Versehen, ein kleines bisschen Hass im Supermarkt entglitten.

Die Situation ist ähnlich gewesen, der Scanner funktionierte wieder einmal nicht. Die Kassiererin zieht erneut die Ware über das Lesegerät, es piept nicht. Ein weiterer Versuch. Dann piept es. Aber nicht aus dem Gerät – der Freund hatte das Piepgeräusch bloß simuliert, es war ihm (wie der Hass) über die Lippen gekommen.

Ich möchte mich entschuldigen. Für alles. Es war bloß ein Versehen, sonst bin ich wirklich ein großer Freund von Konsum in Supermärkten, und ich verspreche, mich mehr dafür einzusetzen, dass die Krise bald beendet ist. Wir müssen nur viel mehr einkaufen, dann wird das schon.