02.07.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (III):
Sorge dich nicht, lebe (und sei gefälligst nicht zynisch, Du Arsch!)

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung, die ich auch diesen Monat wieder über mich ergehen lassen habe.

Montag, 4. Juni

Mein Kontostand gähnt mich an. Ich gähne zurück. Wie sehr mich diese roten Zahlen doch langweilen – und das seit Monaten. Doch Besserung ist in Sicht, diverse Finanzspritzen werden dafür sorgen, dass ich demnächst in Geld baden werde. Hahaha, reich werde ich sein, reich, jawohl.

Gut, das ist übertrieben. Aber es wird mir gut gehen. Und vielleicht werde ich sogar irgendwann glücklich sein, obwohl das nicht so viel mit Geld, Vermögen und Reichtum zu tun hat. Und eigentlich bin ich es ja auch – glücklich. Wenn ich nur nicht so pessimistisch, grummelig und unzufrieden mit mir selbst wäre und nicht so ein viel zu kleines, winziges Selbstwertgefühl hätte. Ach, was bin ich doch für ein armer, armer, armer Jammerlappen. Ist ja nicht auszuhalten, dieses Selbstmitleid hier.

Um 20 Uhr 15 läuft heute auf dem ZDF der Spielfilm »Kein Geld der Welt«. Keine Ahnung, worum es darin geht, aber der Titel spricht meiner derzeitigen finanziellen Lage gerade vollstens aus der Seele.

Dienstag, 5. Juni

Es reicht. Dieses Rumgeheule hier. Dieses ständige Ach-was-ist-die-Welt-heute-wieder-schlecht. Ab heute möchte ich – zumindest eine Woche lang – nur positive Dinge schreiben. Wie gut, wunderbar und großartig mein Leben ist. Wie glücklich ich eigentlich bin. Keine Ironie. Kein Zynismus. Nur aufrichtig das Gute beschreiben, das ich jeden Tag erleben kann in meinem Leben.

Heute startet um 20 Uhr 15 auf Super RTL wieder einmal ein Klassiker der britischen Comedyserien – nämlich »Mr. Bean«. Und trotz dieser ganzen Tragik, die diesem tragischen, bösartigen Menschen widerfährt, scheint er mit sich und seiner Welt zufrieden zu sein. Von Mr. Bean lernen – und die Welt wird wunderbarer.

Und weil die Welt natürlich nicht nur aus rosa Wölkchen und Heititei besteht, werde ich meine positive Sicht auf die Welt nur die angebrochene Woche, also lediglich bis Sonntag, versuchen, beizubehalten.

Mittwoch, 6. Juni

Es fällt mir ausgesprochen schwer, nicht zynisch zu werden. Wie ein Schutzschild ist es, sarkastisch zu sein, selbstironisch und immer so zu tun, als sei es mir egal, wie was in meinem Leben abläuft. Distanz durch Humor – aber nicht diese Woche. Diese Woche möchte ich versuchen, nicht zynisch zu sein, zumindest hier in diesem Fernsehtagebuch.

Die beste Sendung, um zu üben, nicht zynisch darauf zu reagieren, ist natürlich »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« (RTL, 19 Uhr 40). Keine Witze darüber, viele Menschen mögen die Handlung, die Schauspieler, das werktägliche Gefühlsdurcheinander.

Wenn ich mir in dieser Woche die Dailysoap anschauen würde, würde ich natürlich nur die erste Hälfte – die »guten Zeiten«! – ansehen. Das ist wie bei »Krieg und Frieden«. Dort würde ich bis Sonntag nur den zweiten Teil lesen. Diesen Witz habe ich geklaut, ich weiß nur nicht mehr, von wem.

Donnerstag, 7. Juni

Nein, nein, nein und nochmals nein, Tele5. Der Titel deines Films heute um 20 Uhr 15 widerspricht meinem Fast-eine-Woche-lang-nicht-zynisch-sein-Projekt. Nicht zynisch zu sein, bedeutet nämlich nicht, dass man ernst sein muss. Es gibt viele verschiedene Arten von Humor – und Zynismus ist nur eine Möglichkeit von vielen, sich und andere zum Lachen zu bringen oder auch nicht.

Der Titel »Ernst sein ist alles« stimmt nicht. Humor ist wichtig. Mir. Wahrscheinlich vielen anderen auch. Eigentlich sollte ich immer lachen, immer fröhlich sein – und nicht ernst und verkopft. Und natürlich bin ich es nicht immer – fröhlich. Und dann werde ich zynisch – oder traurig. Oder beides gleichzeitig.

Ja, es fällt mir wirklich schwer, nicht zynisch zu werden, wenn es mir schlecht geht.

Freitag, 8. Juni

Wenn ich bis Sonntag an dieser Stelle zynisch werden sollte, möge mich »Ein Blitz aus heiterem Himmel« treffen – zum Beispiel der, der um 19 Uhr 45 auf dem Bayerischen Rundfunk aufgeführt wird. Es ist ein Volksstück aus dem Jahre 1993, und allein das wäre normalerweise ein Grund für mich, diese Sendung mit zynischen Bemerkungen niederzuschreiben.

Heute aber nicht.

Ich schaffe es.

Ich werde nicht zynisch.

Noch zwei Tage nicht.

Jawohl.

Samstag, 9. Juni

Darf ich nicht vielleicht heute doch ein bisschen zynisch sein? Irgendwas Bissiges, bitte. Eine böse Bemerkung, vielleicht über das Wetter? Schadet doch niemandem? Nicht. Nun gut. Dann halt nicht.

Heute läuft wieder einmal »Verstehen Sie Spaß?« mit Frank Elstner. Die Show ist nicht zynisch, aber meistens auch nicht lustig. Humor ist nicht, wenn alte Menschen in Gruppen lachen. Ich könnte jetzt (wenn ich dürfte) bösartige Dinge darüber schreiben, wie schrecklich diese gefühlten sieben Stunden Fernsehununterhaltung sind. Mache ich aber nicht. Erst ab übermorgen wieder.

Noch zwei Mal schlafen, dann darf ich wieder zynisch sein. Endlich.

Sonntag, 10. Juni

Ich schaffe es. Das Leben ist schön, und ich bleibe weiterhin ironiefrei. Aber nur noch jetzt, an diesem letzten Tag. Danach – also morgen – wird sich dieser aufgestaute Zynismus wieder wunderbar entladen können. Darauf freue ich mich schon jetzt.

Heute ist wieder Rosamunde-Pilcher-Zeit auf dem ZDF. 20 Uhr 15 heißt es »Melodie der Herzen«. Gut, dass heute noch nicht morgen ist, ansonsten wüsste ich, was ich dazu schreiben könnte. Und in Wirklichkeit ist heute auch überhaupt nicht heute, also Sonntag, sondern Donnerstag. Ja, das ist verwirrend. Und ja, ich schreibe manchmal mehrere Tage hintereinander weg.

So ist nun einmal manchmal das Leben: ein Beschiss nämlich. Und Mist, jetzt habe ich es auf den letzten Worten doch nicht geschafft, positiv, nicht zynisch und fröhlich zu bleiben.

Mist. Mist. Mist.

Wahrscheinlich hat mich die Medienwelt zu dem Zyniker gemacht, der ich jetzt bin. Natürlich. Die Medien haben nämlich immer Schuld.

Montag, 11. Juni

Endlich ist mein selbst auferlegter Anti-Zynismus vorbei, und jetzt kann ich es ja nachtragend schreiben: Ich hasse »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«, bei Rosamunde Pilcher muss ich kotzen, und bei »Verstehen Sie Spaß?« verstehe ich absolut keinen Spaß. Volkstümliche Volksstücke im Fernsehen finde ich verdammt verachtenswert.

Wie befreiend es doch manchmal sein kann, seine aufgestaute Verachtung loswerden zu können. Nie wieder will ich auf Zynismus verzichten. Nie, nie wieder.

Aber vielleicht trotzdem unzynische, aber auch unoriginelle Fernsehtipps für heute: Ich mag es immer noch, mich von Quizsendungen berieseln zu lassen. Heute zum Beispiel könnte ich zwischen dem »Promi-Quiz-Taxi« auf Kabel Eins wählen oder dem Klassiker »Wer wird Millionär?« auf RTL, jeweils um 20 Uhr 15. Ebenfalls sehr empfehlenswert, um einfach mal abzuschalten und nichts, nichts, nichts, nichts, aber auch rein gar nichts denken zu müssen: Die Serie »Primeval – Rückkehr der Urzeitmonster« (Pro Sieben, 20 Uhr 15).

Donnerstag, 14. Juni

Bin ich wütend? Nö. Bin ich ausgeglichen, entspannt und zufrieden mit allem? Ebenfalls nö. Aber irgendwas dazwischen wird es sein, also weder wütend, noch entspannt. Vielleicht fast ausgeglichen, aber nicht ganz. Vielleicht fast zufrieden, aber es fehlt etwas, ich weiß nur nicht, was.

I know the meaning of life,
it doesn't help me a bit.

Oder ich bin glücklich, aber will es nicht wahrhaben. Ach, was weiß ich denn.

My force of habit, I am an insect
and I must confess I'm very proud of that.

Heute läuft der Film »Wut« auf dem WDR. Angeblich soll er sehr empfehlenswert sein, und wahrscheinlich werde ich ihn sogar sehen, jedenfalls nehme ich es mir fest vor. Diesmal läuft er um 20 Uhr 15 – nach einer Blabla-Debatte hatte sich die ARD bei der Erstausstrahlung dazu entschlossen, den Film erst später am Abend zu zeigen. Wegen Jugendschutz und so weiter und so fort. Nun gut.