02.08.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (VI):
Zimifoküüüüüm.

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung, die ich auch diesen Monat wieder über mich ergehen lassen habe.

Dienstag, 17. Juli 2007

Es naht, wieder einmal, das Ende. Keine Meteoriten. Keine Aliens. Keine Dinosaurier, die durch irgend welche Zeitportale schwappen, um New York, Rio und Tokio zu zerstören. Oder vielleicht doch. Die Enden kommen halt immer überraschend. Niemand erwartet sie. Nur der Fernsehzuschauer kann sie sich per Fernsehprogramm auf seinen Fernseher auswählen, die Katastrophen, die das Ende bedeuten.

Heute und morgen also wieder einmal: das Ende der Welt. Wie langweilig. Das Ende der Welt habe ich schon oft gesehen, das ist nicht mehr besonders spannend.

Während meines Seminaraufenthalts konnte ich vom Berg aus wunderbar auf die Gegend schauen. Kleine Ortschaften – und irgendwo dazwischen ein kleines Atomkraftwerk. Irgendwie war die wunderbare Kitschortstimmung sofort nur noch kaum bis überhaupt nicht mehr vorhanden: Wenn das jetzt explodiert, dachte ich mir. Und dann dachte ich daran, dass ich nicht nur Höhenangst habe, sondern auch Angst vor Atomkraftwerken. So ist das nun einmal mit mir und meinen vollkommen irrationalen Ängsten.

Heute und morgen läuft die dreiteilige Miniserie »Revelations – Die letzte Offenbarung« auf Kabel 1 (20 Uhr 15). Untergang der Welt. Und so weiter und so fort. Es geht um Astrophysik, Satanisten und die apokalyptische Offenbarung des Johannes. Genug Schlagworte, um schon so ein Urteil über diese Serie zu fällen?

Nö. Ich will den Schwachsinn sehen. In seiner vollen länge. Bitte. Danke.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Es ist doch wahrscheinlich immer so, wenn man alt wird oder (je nach Standpunkt und realistischer Selbsteinschätzung) alt geworden ist: Man wünscht sich die Kindheit zurück. Die Einfachheit des Lebens. Und dann denkt man: Wie kitschig! Früher war nicht alles besser. Nicht einmal in der Kindheit. Schon gar nicht die Kindheit. Verschön die Vergangenheit nicht. Die Vergangenheit war schlecht. Und auch das Fernsehprogramm war schlechter.

When I'm lying in my bed at night
I dont wanna grow up
Nothing ever seems to turn out right
I dont wanna grow up

Heute geht es auf RTL um »Die beliebtesten Kinderserien« (20 Uhr 15). »Doctor Snuggles« zum Beispiel habe ich geliebt. »Die dreibeinigen Herrscher«. »Spaß am Dienstag« mit Zini. Und, natürlich, auch die Sesamstraße. Außerdem wohnte ich im Zonenrandgebiet und konnte deswegen das DDR-Sandmännchen sehen.

I'd rather stay here in my room
Nothin' out there but sad and gloom
I don't wanna live in a big old tomb on grand street
When I see the 5 o clock news
I don't wanna grow up

Die Vergangenheit war schön. Und auch das Fernsehprogramm war besser. Manchmal wünschte ich wirklich, wieder ein Kind zu sein. Dann wäre die Welt vermutlich nicht ganz so schlecht und kompliziert. Aber auf Dauer nichts, aber auch gar nichts an der Quengelkasse in den Supermärkten bekommen? Auch nicht schön.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Ich fahre Bahn und lese Zeitung. Ein kurzer Blick aus dem Fenster. Schön, die Gegend. Berge, Hügel. Hübsche Dörfer und größere Städtchen. Ich bin in der Provinz, obwohl ich doch eigentlich in eine große Großstadt wollte. Berlin. Hamburg. Köln. Sowas. Jetzt also wieder einmal Provinz. Von der Provinz, aus der ich komme, in die Provinz, in der ich bin.

Ich bin kein Florian Illies, der die Provinz liebt, aber ich bin auch niemand, der die Provinz hasst. Anteilnahmslos schaue ich aus dem Fenster während der Bahnfahrt. Berg. Hügel. Schlossruine. Schön, aber auf Dauer uninteressant, wenn man es jeden Tag sieht, wenn man alltäglich aus einer mittelkleinen Großstadt in die Provinz pendelt.

Eine eigentlich sehr schöne Provinz.

Die schönsten »Bahnstrecken« zeigt die ARD heute ab 4 Uhr 20.

Freitag, 20. Juli 2007

»Du weißt, dass Du ein Spinner bist, oder?«
»Ist mir noch überhaupt nicht aufgefallen.«
»Du stehst nicht zu Deinen Gefühlen.«
»Hä?«
»Du bist ironisch.«
»Ja, und?«
»Und immer, wenn Du irgend etwas schreibst, was Du nicht an Dich heranlassen willst, schreibst Du von Kitsch. Du bist ironisch, um das Leben nicht ernst nehmen zu müssen. Wenn es um Gefühlskram geht, nennst Du das Kitsch, um Dich davon abzugrenzen.«
»Mache ich überhaupt nicht.«
»Am Dienstag hast Du von ›Kitschortstimmung‹ geschrieben. Am Mittwoch hast Du von kitschiger Kindheit geschrieben. Und das hast Du bestimmt schon öfter gemacht.«
»Ist ja gut. Du hast ja sowas von verdammt Recht. Bin ich jetzt ein schlechter Mensch?«
»Vielleicht nicht schlecht, aber womöglich so wie der Dude.«
»Der Dude?«
»Der Dude. Wie bei »The Big Lebowski«. Läuft heute um 20 Uhr 15 auf Tele 5.«
»Du bist ein ganz, ganz schlechter Mensch.«
»Wieso?«
»Weil Du hier noch unbedingt einen Fernsehtipp reinquetschen musstest. Ab in die Ecke. Geh Dich schämen.«
»Ist ja gut, reg Dich ab.«

Dienstag, 24. Juli 2007

Genug Zeit heute, um über das Fernsehen weiter nachzudenken.

Wenn es aus ist, ist es auch nicht besser.

Genug Gedanken. Reicht doch. Ha ha. Was soll man großartig theoretisieren. Ist doch alles einfach nur Unterhaltung und Entertainment. Und wenn es nicht unterhält und nicht entertaint, ist es doof.

Heute zum Beispiel läuft »Robin Hood – Helden in Strumpfhosen« (Kabel 1, 20 Uhr 15). Das entertaint und unterhält. Oder um 22 Uhr 35 auf 3sat: der wahrscheinlich richtig gute Animationsfilm »Waking Life«. Und dann noch »The Straight Story« (Bayern 3, 23 Uhr 15), in dem es um einen Rasenmäherfahrer geht, der damit quer durch Amerika fährt.

Das entertaint, unterhält und hat wahrscheinlich sogar Tiefgang. Und es ist überhaupt nicht doof, wenn Unterhaltung und Entertainment mit Tiefgang ergänzt wird.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Rettet Wale! Pflanzt Buchsbäume! Umarmt Mitmenschen!

Weichet, Hippies! Überall seid Ihr, und das noch immer. Vierzig Jahre sind vergangen, und was ist der Dank dafür, dass Ihr für Eure Ideale (Sex mit allem und jedem und so weiter) eingestanden seid? Der Fernsehsender Arte ruft den »Summer of Love« aus. Heute gibt es eine Dokumentation über Hippies im Osten (»Flower Power Ost«, 20 Uhr 40) und danach eine »Doku über John Lennon«.

Womit habt ihr das verdient?

Sonntag, 29. Juli 2007

»Malt Barcodes und Mandalas! Löffelt Buchstabensuppe aus, aber verzichtet auf den Buchstaben G! Singt Werbeslogans fehlerhaft!«

Was für ein Unsinn! Aber muss alles eine Bedeutung haben? Das Leben hat keinen Sinn, jedenfalls ist er mir noch nicht aufgefallen. Womöglich gibt es ihn, und wenn, möge ihn mir jemand bitte, bitte, bitte verraten.

»Sprüht das Wort ›Zimifoküüüüüm‹ an alle Wände!«

Manchmal ist alles chaotisch, nichts verläuft so, wie man es sich vorgestellt hat, und manchmal glaube ich, dass nämlich genau das der Sinn des Lebens ist: das Chaos auszuhalten. Wenigstens die Dinge auf meinem Schreibtisch im Büro versuche ich, möglichst rechtwinklig geordnet liegen zu haben. Aber auch das ist irgendwie, nun ja, sinnlos.

»Lobt Lachgas!«

Manchmal geht es chaotisch in meinem Kopf zu, aber wahrscheinlich nicht viel chaotischer, als es in den Köpfen der meisten meiner Mitmenschen zugeht. Ausnahmen sind die, die zum Beispiel unter dem Tourettesyndrom leiden, bei denen das »Chaos im Kopf« (VOX, 22 Uhr 50) riesiger als beim Durchschnittskopfchaoten ist.

Und was ist das Leben noch? Eine Anreihung von Wiederholungen! Also dann, weil es so schön war: »Sonnt Euch! Rennt um die Wette! Baut Atomkraftwerke! Rettet Wale! Pflanzt Buchsbäume! Umarmt Mitmenschen!«

Chaos im Kopf! Vielleicht ist es bei mir doch überdurchschnittlich ausgeprägt. Das muss ich jetzt mein Leben lang aushalten.

Montag, 30. Juli 2007

Was ist das eigentlich, dieses Glück, von dem alle sprechen? »Eine Bestandsaufnahme.«

Ich bin glücklich, weil

  • ich die Traumfrau meines Lebens gefunden habe.
  • meine Familie wunderbar ist und mich meine Eltern immer unterstützt haben.
  • ich eine gute Ausbildung absolviere, die sogar nach Tarif bezahlt wird.
  • es so viele Dinge gibt, über die ich glücklich sein kann.

Aber was das ist, dieses Glück? Ehrlich gesagt habe ich überhaupt keine Ahnung. Keinen blassen Schimmer. Ich bin ahnungslos.

Heute überrascht Tetje Mierendorf Menschen, indem er dafür sorgt, dass diese von einer Glückssträhne nach der nächsten heimgesucht werden. Inszenierte Glückssträhnen, die eigentlich überhaupt keine sind. Das zum Beispiel ist definitiv kein Glück, das (»Der Glücksvollzieher«, Kabel 1, 21 Uhr 15) ist mit Sicherheit billigster, blöder Fernsehdreck.

Dienstag, 31. Juli 2007

Endlich normale Leute! Wurde ja auch mal langsam Zeit.

Besteht die Welt eigentlich nur aus egozentrischen, eingebildeten und verbiesterten Menschen, die griesgrämig und unausstehlich sind?, dachte ich eine Zeit lang. Ach, das ist gar nicht so? Tatsächlich. Das hatte ich aus den Augen verloren – aber nur, weil ich mich sechseinhalb Stunden im Spiegel betrachtet hatte. Doch, nett hier. Nette Menschen. Nette Gegend. Und wenn ich mich nicht ansehe und nicht über mich nachdenke und darüber, wie bescheuert ich doch eigentlich bin, kann ich es nur bestätigen: Endlich normale Leute, überall.

Heute läuft auf Kabel 1 »Ballermann 6« (20 Uhr 15). Meine Fernsehzeitschrift bezeichnet den Film als »grausig«, und damit hat sie Recht. Trotzdem kann man sich (betrunken) von diesem Mist unterhalten lassen (nicht gut, aber es überfordert zumindest nicht). Einer der besten Sätze, die Tom Gerhardt (als Proll) auf Mallorca sagt, ist »Endlich normale Leute!«

Normale Menschen sind langweilig. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre unnormaler. Denn manchmal denke ich, dass ich viel zu normal bin. Und wahrscheinlich bin ich es wirklich – langweilig. Manchmal.