02.08.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (V):
Was für ein verrückter Versager! oder Eigentlich sollte er erwachsen werden

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung, die ich auch diesen Monat wieder über mich ergehen lassen habe.

Montag, 2. Juli 2007

Es ist also wieder einer dieser Montage. Aufstehen. Arbeiten. Abendessen. Alles alltäglich. Im Fernsehen läuft »Wer wird Millionär?«. Alles ist wie immer. Es ist also wieder einer dieser Montage.

Ich habe bisher erst eine Folge von »Primeval« gesehen, das ist diese neue Serie auf Pro Sieben, aber die Folge war richtig gut. Gute Unterhaltung. Und das an einem dieser Montage. Ich werde sie mir noch ansehen, die verpassten Teile, ganz bestimmt. Dinosaurier. Ein Zeitportal. Action. Krach. Anspruchslosigkeit. Genau das Richtige – ja, so sollte sie sein, diese anspruchslose Montagabendunterhaltung zum Nichtweiterdrübernachdenken.

Montage können richtig schlimm sein, aber das Montagabendfernsehprogramm ist richtig gut. Niveaulos, wie es sein sollte an Tagen wie diesen. An Wochenanfängen. An denen man nur abgehackt denken und abgehackt schreiben kann.

PS: Und ich habe sicherlich auch schon geschrieben, wie alltäglich der Alltag doch ist? Ach ja, auch das. Alles wiederholt sich. Dieser Tagebucheintrag ist übrigens ebenfalls eine Wiederholung – und zwar vom vergangenen Montag. Hat es jemand gemerkt? Und ist das als subversiv oder als Faulheit zu bezeichnen?

PPS: Und »Wer wird Millionär?« läuft heute übrigens überhaupt nicht. Stattdessen zeigt RTL ab 20 Uhr 15 zwei Folgen der elfteiligen Serie »Arme Millionäre«.

Dienstag, 3. Juli 2007

»In letzter Zeit schreibst du fast nur noch darüber, dass sich alles im Alltag wiederholt.«
»Stimmt.«
»Aber ist das nicht auf Dauer etwas langweilig?«
»Ja, aber es ist wahr.«
»Eine wahre Geschichte?«
»Mein wahres Leben.«
»Dann konsumier doch wenigstens ein paar Drogen, damit es spannender zu lesen ist. So wie der Schriftsteller Hunter S. Thompson.«
»Nö.«
»Aber Du könntest doch wenigstens die Verfilmung seines Romans »Angst und Schrecken in Las Vegas« empfehlen. Die läuft heute um 23 Uhr 45 auf dem NDR.«
»Okay. Der lief aber schon öfter. Ist eine Wiederholung.«
»Alles wiederholt sich eben nun einmal. Der Alltag – und auch das Fernsehprogramm.«

Freitag, 6. Juli 2007

Ich habe mir »Das dicke Rattelschneck Buch« gekauft. Ich mag die Cartoons, die jeden Samstag in der Süddeutschen Zeitung erscheinen. Ich mag den Irrsinn. Und ich rege mich auf, wenn ich den Witz nicht verstehe – höchstwahrscheinlich ist in dem entsprechenden Cartoon jedoch nicht einmal ein Witz, nur Irrsinn.

Einer meiner vielen Lieblingscartoons in dem Band zeigt einen dämlich-depressiv aussehenden Dackel, der an einer Leine geführt wird. In einer Sprechblase über ihm der einzig sinnvolle Gedanke, den er denken kann, nämlich: »Dieses ständige Gassi gehen. Ich kann doch aufs Linoleum in der Küche pissen.« Das ist lustig. Und irrsinnig.

Und überraschend ist es auch. Das gesamte Buch von Rattelschneck ist überraschend. Und lustig. Und seltsam. Und nicht so doof wie wieder einmal das unüberraschend gähnige Fernsehprogramm heute. Leider. Ich mag Fernsehen. Wirklich. Nur nicht heute. Heute ist Fernsehen doof. Höchstwahrscheinlich die neue Show mit Cordula Stratmann (»Das weiß doch jedes Kind!«, Sat 1, 20 Uhr 15). Nicht wahrscheinlich, sondern voraussichtlich wird »Entern oder Kentern« ärgerlich mies (RTL, 20 Uhr 15) und alles andere sowieso. Ist doch alles Mist. Scheiße. Unüberraschend. Wahnwitzig unwitzig.

Verdammt, jetzt höre ich mich doch tatsächlich so an wie Hans Hoff in seiner Phase, in der er alles, aber auch wirklich alles am Fernsehen hasste. Ich liebe das Fernsehen. Wirklich. Nur manchmal, wie heute zum Beispiel, halt nicht.

Samstag, 7. Juli 2007

Ich mag Überraschungen und belanglose Gespräche über das Wetter. Überraschend war es zum Beispiel, dass es in diesem Jahr bereits einen Sommer gab und jetzt schon wieder Herbst ist. Womöglich gibt es bald wieder Sommer. Ich finde das wunderbar: Nie weiß man, welche Jahreszeit am nächsten Tag sein wird.

Oh nein, nicht schon wieder Winter, könnte man denken. Aber egal: Morgen könnte schon wieder ein Sommertag sein. Oder Frühling. Ich liebe diese Frühlingstage, an denen alles sprießt und grünt. Oder Herbst. Vielleicht ist morgen auch ein Herbsttag. Ist ja auch ganz schön, eigentlich.

Heute läuft um 20 Uhr 15 ein Film über diese überraschenden Tage unserer postmodernen Wetterepoche – Pro Sieben zeigt dann nämlich »Eine unbequeme Wahrheit«.

Und muss der einem eigentlich alles vermiesen, dieser Al Gore? Ist doch eigentlich wirklich ganz schön, wenn jeder Tag eine neue Überraschung bietet, zumindest was das Wetter anbelangt. Ansonsten wiederholt sich natürlich alles. Und ich habe sicherlich auch schon geschrieben, wie alltäglich der Alltag doch ist? Ach ja, auch das habe ich mehrfach erwähnt.

Montag, 9. Juli 2007

Bin ich geekig? Früher, als ich noch jung war, habe ich sonntags immer bis 15 Uhr geschlafen – denn dann lief »Sliders« auf RTL, und deshalb hatte ich aufstehen müssen. Oder lief diese wunderbare Serie schon um 14 Uhr? Nein, so früh am Morgen werde ich nicht aufgestanden sein.

Getanzt. Gelangweilt. Mich und andere. Nacht durchgemacht. Und der nächste Tag, der Sonntag, war vorbei, ehe er beginnen konnte.

»Sliders« war eine richtig gute Serie. Leider war ich fast der einzige, der diese Meinung mit mir teilte.

Jetzt kann ich aufstehen, wann ich will, denn jetzt gibt es den »Sci Fi Channel«. Und die »Sliders«, die von Paralleluniversum zu Paralleluniversum reisten, liefen dort auch schon. Ansonsten Serien wie »Zurück in die Vergangenheit« (19 Uhr 25), »Battlestar Galactica« (20 Uhr 15), »Star Trek« (10 Uhr 05, 16 Uhr 55 und 17 Uhr 45).

Dass ich eine Zeit lang ein Star-Trek-Fanzine abonniert hatte, verschweige ich lieber, denn das würde die Frage, ob ich ein Geek war, früher, umfassend beantworten. Aber da bin ich noch jung gewesen, damals. Doch bin ich noch immer geekig?

Die Antwort möchte ich verweigern, bitte. Vielen Dank.

Donnerstag, 12. Juli 2007

Ich betrete den Laden, und ein Schwall voller schweißgeruchgetränkter Luft weht mir entgegen. Der Laden ist unaufgeräumt, schmierig und nicht sehr einladend. Ich bleibe, trotzdem, in dem Etablissement, und ich halte mich mit den anderen Kunden (verpickelte Halbwüchsige!) viel zu lange in dieser luftverpesteten Drecksbude auf.

Leider bin ich selbst einer dieser verpickelten Hackfressen. Ich bin, zumindest in meiner Erinnerung, vierzehn Jahre alt. Wahrscheinlich war ich jedoch bis neunzehn, zwanzig Stammkunde in diesem Comicladen und habe mein halbes Taschengeld in diese Trivialkultur investiert. »Mangas, Superman, Spider-Man, Batman, Preacher, Transmetropolitan. Comics von Alan Moore. Simpsons-Comics.« Meine Güte, für dieses Geld könnte ich jetzt bestimmt sieben bis acht Mal in den Urlaub fahren.

Ich kann bestätigen, dass ich damals zu, sagen wir, 75 Prozent ein Geek gewesen bin und ich heute noch die Nachwirkungen dieses Konsums zu spüren kriege. Zu 100 Prozent normal bin ich nicht, und das will ich auch nicht sein. Geek möchte ich jedoch trotzdem nicht genannt werden. Ich bin halbwegs normal, nur manchmal ein ganz klitzekleines bisschen verschroben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Freitag, 13. Juli 2007

Ach, was soll es denn. Was soll ich mich winden, was soll ich es leugnen. Was soll ich mich beschweren? Bin ich ein Geek? Mal sage ich »Ja, natürlich!«, mal antworte ich mit »Was soll diese Unverschämtheit?«, mal ist es ein Sowohl-als-auch, ein Sind-wir-nicht-alle-ein-bisschen-geekig?

Jetzt, zum Wochenende hin, möchte ich deshalb Klarheit in dieses Thema bringen und mich denunzieren. Also: Ich bin ein Geek. Jetzt haben es alle schriftlich. Ich bin mit geschmacksverwirrenden Comics aufgewachsen, mit »Mad« und Alfred E. Neumann, mit Jan-Tenner-Kassetten, mit Otto Waalkes. Was also hätte anderes aus mir werden sollen? Na also.

Ganz so geschmacksverwirrt bin ich jedoch auch wieder nicht. Heute läuft viel Murks im Fernsehen, den ich trotz dieser Vorprägung niemals einschalten wollen würde: Auf dem SWR läuft um 20 Uhr 15 »Fröhlicher Alltag« mit den Musikern Judith und Mel, Maria Da Vinci, Reiner Kirsten und Angelo Borer. Ich weiß nicht einmal, ob das alles Musiker sind, aber ich gehe ganz stark davon aus, dass sie alle nicht musikalisch sind. Auf dem MDR öffnet die »Wernesgrüner Musikantenschenke«. Nur auf dem WDR läuft ein Lichtblick, nämlich »Glückwunsch, Alsmann!«, ein Porträt über Götz Alsmann. Der macht wenigstens gute Musik. Ach nein, der macht ja unter anderem auch Jazz, und Jazz ist doof, nur nicht ganz so doof wie Volksmusik.

Volksmusik! Wer das hört, ist ebenfalls geekig, frisst aber noch dazu kleine Kinder. Und das ist viel schlimmer, was beschwere ich mich eigentlich über mich?