04.10.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (IX):
Pornos, Urlaube und der Elfteseptember

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung.

Samstag, 8. September 2007

Ich bin wieder da, aber eigentlich auch schon wieder so gut wie weg. Vor zwei Wochen hatte ich meinen ersten Kurzurlaub in meiner Heimatstadt verbracht, vergangene Woche habe ich an einem Seminar über Ethik im Journalismus teilgenommen in einem Hotel irgendwo auf einem Berg in der Nähe eines Atomkraftwerks, und nächste Woche werde ich nach Neapel fliegen.

Was für ein Leben! Immer auf Achse! Immer in Bewegung! Bloß nicht stehen bleiben! Stillstand ist Kapitulation! Und Flucht ist keine Lösung!

Doch. Flucht ist definitiv eine Lösung. Wenn Zapping Flucht bedeutet, ist das legitim und löst Probleme wie beispielsweise gehirnfressende Quotenbringer (ARD, 20 Uhr 15: »Das große Hansi-Hinterseer-Open-Air 2007«).

Sonntag, 9. September 2007

»Träume werden wahr« (Sat 1, 19 Uhr 15), und mein Traum ist es, mich aus dem Alltag herauszuträumen und zwar an irgend einen Ort, an dem es noch warm ist. Wo die Sonne auf mich scheinen kann. Ich möchte zu einem Platz auf dieser Welt, an dem ich in diesem Jahr noch einmal die Gelegenheit bekomme, an Sonnenbrand zu leiden.

Zum Beispiel nach Neapel. Am Mittwoch. Ich freue mich, sehr sogar. Vielleicht zu viel? Was ist, wenn die Realität meine Träume nicht verwirklichen kann? Zwei Möglichkeiten – entweder strengt sich die Realität mit der Verwirklichung ein wenig an, bitte, oder ich fahre meine hohen Erwartungen zurück. Ach, was soll es denn: Es wird auf jeden Fall ganz wunderbar.

Montag, 10. September 2007

Manchmal ist das Leben so lustig, dass einem Tränen aus den Augen laufen, manchmal ist es traurig, manchmal seltsam. Eigentlich müsste mir das egal sein, denke ich mir, lass dich nicht von deinen Gefühlen vereinnahmen, werde gefühlskalt, du musst gefühlskälter werden, lass verdammtnochmal nichts an dich heran.

Neulich musste ich aus Versehen so sehr lachen, dass mir Tränen aus den Augen gelaufen sind. Ein Anruf meiner Mutter – wie es mir denn gehe. »Gut«, antworte ich. »Und deinem Mitbewohner?« Auch gut, sage ich. »Wir gucken regelmäßig ›Sopranos‹ zusammen.«

Ich telefoniere per Handy mit ihr, und die Verbindung ist nicht besonders gut. Es rauscht, es knackst, manche Worte kommen unverständlich bei ihr an.

Meine Mutter ist fassungslos: »Was guckt ihr?«, fragt sie entsetzt.
»Pornos?«

Zum Glück kann ich sie schnell darüber aufklären, dass dem nicht so ist.

Dienstag, 11. September 2007

Huch. Kaum schreibe ich dieses Datum, muss ich wie wahrscheinlich so gut wie alle anderen Menschen auch an die Terroranschläge denken. Und müsste es nicht sogar legitim sein, es als ein einziges Wort, als einen feststehenden Begriff zu sehen, als Elfterseptember?

Morgen werde ich in einem Flugzeug nach (hoffentlich!) Neapel sitzen, ein nicht sehr schönes Gefühl, eigentlich, einen Tag nach dem Tag. Nicht, dass ich Flugangst hätte, nein, nein, es ist nur die unbegründete Angst vor Terroristen.

Zur Beruhigung werde ich während des Flugs in dem Bilderbuch »Wo ist Bin Laden? – Ein Suchspiel für Hobbyagenten« blättern, das ich jedem nur empfehlen kann, der zu viel Zeit hat. Detailierte, doppelseitige Bilder, in denen sich der Großterrorist, seine Freunde, aber auch »der nackte Jörg« versteckt haben. Wimmelbilder halt – wie von Ali Mitgutsch, aber mit Bin Laden.

Mittwoch, 12. September 2007

Wenn alles gut gegangen ist, müsste ich heute in Neapel angekommen sein. Sechs Tage Urlaub in diesem vermeintlichen Moloch, aber wie heißt es noch so schön? Neapel sehen – und sterben. Hoffentlich nicht.

Vielleicht werde ich in den Genuss von italienischem Fernsehen kommen, von dem ich bisher nichts Gutes gehört und auch nichts Gutes gesehen habe. In einer Wohnung, in der ich vor einigen Jahren gewohnt habe, konnte ich Rai Uno und Rai Due empfangen. Nur Mist! Niveauloser Kram mit nahezu nackten Frauen, die aus welchen Gründen auch immer im Bild waren. Wenn beim Fußball ein Tor geschossen wurde, tanzte im Studio zur Belohnung eine halbnackte Frau durchs Nachmittagsprogramm. Das war seltsam, aber lustig.

Und vielleicht bricht sogar der Vesuv aus, während ich in Neapel bin. Mein Urlaub scheint ein wunderbares 2-in-1-Angebot zu sein: Kriminalität und Naturkatastrophe in einem. Was will ich mehr?

Bis später dann also. Ich hoffe, dass ich mich trotz oder gerade auf Grund von Verbrechen und Vulkanausbruch amüsieren werde.


Samstag, 22. September 2007

Noch bis einschließlich Montag habe ich Urlaub. Ich fühle mich erholt und hoffe, dass diese Erholung bis zum nächsten Feiertag oder sogar bis zum nächsten Urlaub anhalten wird. Und wenn nicht? Versuche ich, mehr zu schlafen, weniger fernzusehen und wenigstens so zu tun, als sei ich entspannt.

Während meiner Urlaubstage in meiner Heimatstadt habe ich leider weniger Folgen von Fernsehserien gesehen als ich mir vorgenommen hatte – zu wenig »Sopranos«, aber dafür die erste Staffel der lohnenswerten Serie »Primeval« gesehen. Jetzt, nach diesem wunderbaren Cliffhanger, warte ich sehnsüchtig auf die Fortsetzung.

Fernsehen ist Erholung. Aber auch Nicht-Fernsehen kann Erholung sein. Manchmal. Angeblich. Womöglich.

Dienstag, 25. September 2007

Zurück im Alltag. Willkommen zurück, wünscht mir das liebe Büro, der liebe Schreibtisch, der liebe Schreibtischstuhl und, ach ja, vielleicht sogar die lieben Kollegen.

Alltag. Wieder einmal. Das musste ja so kommen nach diesem schönen, spannenden, aber auch erholsamen Urlaub. Jetzt geht es weiter. Wieder einmal.

Erwähnte ich schon, dass jetzt wieder der Alltag für mich begonnen hat? Ach ja. Hatte ich bereits. Mehrfach. Mist.

Überleben im Alltag ist leichter, als eine Folge von »Survivor« (Pro Sieben, 22 Uhr 15) zu ertragen.

Mittwoch, 26. September 2007

Wovor ich alles Angst habe: Ich habe Angst vor

  • der Zukunft
  • Arbeitslosigkeit
  • dem Zahnarzt.

Ich bin ein richtiger Angsthase (»Angsthasen«, ARD, 20 Uhr 15) Und manchmal frage ich mich: Muss das sein? Könnte ich das Leben nicht ein bisschen lockerer angehen? Du hast immerhin einen Job, sage ich mir. Du bist halbwegs glücklich, also hör auf, dir Sorgen zu machen. Und immer, wenn ich so denke, muss ich an diesen triefend positiven Buchtitel »Sorge dich nicht, lebe« denken.

Und dann muss ich kotzen.