07.12.07

Till Frommann

Tränen im Karaoke-Paradies oder Elvis Presley darf nicht sterben!

Ich bin ein bisschen selbstverliebt, und weil ich ein bisschen selbstverliebt bin, schäme ich mich auch nicht dafür, dass ich es immer und immer wieder betone und dass ich diese Kolumne ganz selbstverliebt mit dem Wort »Ich« beginne. Da bekomme ich keinen Ärger, das ist schon okay so, da schimpfen auch keine Artdirektoren.

Wie erdet man sich bei so großer Arroganz? Zum Beispiel mit Karaoke.

Diesmal ist es leider kein Traum. Wenn es ein Traum gewesen wäre, wäre es folgendermaßen abgelaufen: Ich stehe auf der kleinen Bühne im Irish Pub, meine Freunde freuen sich auf meinen Auftritt, und ich werde frenetisch beklatscht – nicht nur von ihnen, sondern von allen in der Kneipe. Die Spelunke ist dermaßen übervoll, dass am Eingang Schwarzmarktticketverkäufer Eintrittskarten für meinen Auftritt zu horrenden Preisen anbieten müssen.

Ich stehe auf der Bühne, und ich singe an diesem Karaokeabend, und ich singe irgend ein Lied, das größer ist als die Realität.

Nobody ever had a dream 'round here
But I don't really mind that it's starting to get to me
Nobody ever pulls the seams 'round here
But I don't really mind that it's starting to get to me

Niemand grölt, alle hören mir zu, einem Halbstarken in der dritten Reihe kullert heimlich eine Träne über die Wange. Ich singe und singe und singe. Ich bin der geborene Entertainer. Ich wackle mit meinen Hüften. Ich bin die Wiedergeburt von Elvis Presley! Ich bin begeistert über die Büstenhalter, die mir werte Damen auf die Bühne schmeißen. Im Gegenzug werfe ich Taschentücher zurück, die meinen Schweiß aufgesogen haben.

I still remenber grandma Dixie's wake
I've never really known anybody to die before
Red white and blue upon a birthday cake
My brother, he was born on the fourth of the July

... and that's all

Ende des Auftritts. Jubel im Publikum. Spontane Standing Ovations. Spot aus.

So wäre der Karaoke-Abend abgelaufen, wenn es ein Traum gewesen wäre. Doch so ist es leider nicht gewesen. Die Realität war finster zu mir.