Diese Kolumne lässt sich auch hören!
»Über gute Laune, fremde Menschen und meine beruflichen Aussichten« vorgetragen von Tom Wendt
(Bitte beachten Sie unseren Rechtevorbehalt).
Muss. Mir. Weniger. Gedanken. Machen. Ich muss weniger grübeln. Weniger über unwichtigen Kram nachdenken. Weniger über wichtigen Kram nachdenken. Meine Freunde sagen, dass mir irgendwann mein Kopf explodiert, wenn ich weiter so ausschweifend über alles und nichts nachdenken würde. Darüber habe ich dann fast drei Stunden nachgedacht. Wie das aussehen könnte, wenn man Kopf explodiert. Ob es weh tun würde. Und wer die ganze Sauerei sauber machen wird. Man kann sich schließlich nicht aussuchen, wo der Kopf explodiert. In der freien Natur wäre es natürlich am praktischsten, Hirnmasse ist biologisch abbaubar. In einer Wohnung oder in einem Pelzgeschäft wäre es eher unhygienisch und ärgerlich, wenn mein Kopf gerade da platzen würde. Bumm! Und schon sind alle Pelzmäntel ruiniert. Gar nicht schlecht eigentlich, ich sollte mich öfters in Pelzläden aufhalten, das hätte dann eine politische Aussage, wenn mein Kopf dort –
So ist das halt, wenn man zu viel über wichtige und unwichtige Dinge nachdenkt. Man schweift ab. Lebt in einer anderen Welt. Und vielleicht denke ich ganz einfach deshalb über alles und nichts so unrealistisch nach, weil mich die Realität immer wieder erschreckt. »Reality is truly scaring me«, singt eine Green-Day-Plagiats-Band, und ja: Recht hat sie, diese Kommerzkapelle, die leider noch keinen großartigen kommerziellen Erfolg hat.
»Don't think twice, it's alright«, ist ein Motto, das mir seit meiner Jugend immer wieder im Kopf herumspukt, seitdem dieses in einem Dieter-Hallervorden-Film auftauchte. Ich wünschte, es würde mein Lebensmotto sein, aber leider denke ich nicht nur zwei Mal über Dinge nach, sondern unendlich oft. Das macht handlungsunfähig.
Zum Beispiel mache ich mir nicht nur viele Gedanken über mich selbst, sondern auch über meine Mitmenschen. Bis letzten Samstag dachte ich, dass man fremde Menschen nicht einfach so beleidigen dürfte, nur, weil man selbst schlechte Laune hat und seine Aggressionen entladen will, sie haben einem doch nichts getan, die fremden Menschen. Auch keine Gründe für eine spontane Beleidigungswelle sind Hässlichkeit und Gestanksbelästigung.
Es ist also einer dieser Samstage nach einer dieser Wochen, in denen man das Gefühl hat, dass einem der Himmel auf den Kopf gefallen ist und der Kopf entweder kurz davor ist, zu platzen oder vom Himmel zerquetscht zu werden. Direkt einen Platz hinter mir im Bus sitzt ein Mensch, der so hässlich ist, dass es schon nicht mehr schön ist, der stinkt und noch dazu immer wieder rülpst. Ein ideales Opfer! Ich habe sowieso schlechte Laune, und jetzt weiß ich endlich, wo ich diese abladen kann. Idealerweise setzt sich eine Horde Mädchen in Hörweite. Eines der Mädchen, das sich neben mich gesetzt hat, sagt angewidert zu ihren Freundinnen: »Hier stinkt es!«, und ich sage laut, deutlich und sehr um Sachlichkeit bemüht: »Das ist glaube ich der Mensch hinter mir.« Das Mädchen dreht sich um, starrt direkt in dessen gelbliche Augen, sagt »Oh!« und dreht sich schnell wieder um. Auf die Frage von diesem stinkenden, hässlichen und rülpsenden Menschen, ob ich denn ein Problem hätte, bleibt mir nur, Schadensbegrenzung zu betreiben – immerhin sitzt er direkt hinter mir, und er sitzt nicht nur in Hör-, sondern auch in Schlagweite, und ich möchte nicht geschlagen werden. »Nein, nein«; sage ich, »es ist nichts.«
Und kurz, nachdem ich aus dem Bus ausgestiegen bin, fängt dieses sinnlose Sich-Gedanken-Machen wieder an. Man beleidigt Menschen nicht grundlos, nicht einmal, wenn sie stinken, rülpsen und hässlich sind, sie haben einem doch nichts getan. Andererseits war meine schlechte Laune kurz darauf wie weggespült, und ich verdränge kurzzeitig, dass ich Ärger mit mehreren Ämtern habe, dass ich mich trotz schlechter, wirtschaftlicher Lage auf den Arbeitsmarkt schmeißen muss und ich meine Bewerbungen für ein Volontariat nicht einmal geschrieben habe, weil ich mich auf Grund der Gesamtsituation und des Ärgers, den ich mit mehreren Ämtern habe, so handlungsunfähig fühle.
Ich sollte nicht so viel über mein Leben nachdenken, sondern ganz einfach leben. Und wie widerlich! Das hört sich wie aus einem Positiv-denken-Buch an. Ein Spruch, der mir übrigens mächtig auf die Nerven geht, ist: »Jeder Tag, den du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag.« Mein gesamtes Leben wäre nach dieser Definition verloren. Und wie sympathisch ist da ein »Don't think twice, it's alright«. Also dann: Sorge dich nicht, höre auf zu denken! Und auch das hört sich irgendwie doof an, aber hey, ich habe keine Lust mehr, mir Gedanken über dies und das und auch noch über diesen unstrukturierten, ununterhaltsamen, uninteressanten Text hier und mein angeschlagenes Ego zu machen. Und es wird auch keine Pointe kommen, keine Moral, kein Witz, nichts. Diese Kolumne endet hier. Bäh.