15.06.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (II):
Eine Woche voller Dönerstage

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung, die ich diesen Monat über mich ergehen lassen habe.

Donnerstag, 24. Mai

Wie schlau ist eigentlich Deutschland? Das fragt heute, ja, Johannes B. Kerner in der ZDF-Show »Wie schlau ist Deutschland?« um 20 Uhr 15. Allein das schon ein Witz.

Wie schlau bin eigentlich ich? Das zum Beispiel ist eine Frage, mit der ich mich nicht beschäftigen möchte. Ich habe noch nie einen Intelligenztest gemacht, weil ich ganz einfach nicht an Intelligenz und schon gar nicht an menschliche glaube.

Und Allgemeinbildung? Ach, hört mir mit Allgemeinbildung auf: Deutschland ist doof, und ich bin Deutschland.

Samstag, 26. Mai

Actionfilme sehe ich seit gestern mit vollkommen anderen Augen. Eine Explosion erschreckt mich seitdem deutlich mehr, bei heißen Feuermeeren muss ich daran denken, wie zerstörerisch Feuer doch auch im Alltag sein kann.

Gestern hatte mich nachmittags mein Mitbewohner auf der Arbeit angerufen – der Herd sei angestellt gewesen, es hätte ein Feuer gegeben. Panik! Noch mehr Panik! Dann die Beruhigung: Alles sei noch einmal gut gegangen. Auf dem Herd hatte ein Topf gestanden, der glücklicherweise mit einem Deckel verschlossen war. Darin: Nudeln, die nach dem Brand styroporich und schwarz waren. Viel mehr war nicht passiert. Das Feuer war dank des Deckels größtenteils im Topf gewesen. Jetzt riecht unsere Wohnung nach verbranntem Holz. Eine Plastikleiste in der Küche ist leicht angekokelt. Aber es hätte mehr passieren können: Die Wohnung hätte abfackeln können, das Haus, die nebenstehenden Häuser, hach, womöglich die gesamte Stadt. Und das Schlimmste daran: Ich bin nicht hausratsversichert.

Wie gesagt: Feuer, Explosionen und Knallbummpeng in Actionfilmen sehe ich nun mit vollkommen anderen Augen. Heute werde ich also unter anderem nicht sehen: »Star Wars – Das Imperium schlägt zurück« (Pro Sieben, 20 Uhr 15), »Behind Enemy Lines« (Kabel 1, 23 Uhr 05) und auch nicht »Harte Jungs – Bad Boys« (AXN, 22 Uhr 15).

Sonntag, 27. Mai

Wenn ich mir die politischen Begebenheiten der letzten Jahre anschaue (Irak, Iran, Afghanistan, Russland, Amerika und so weiter und so fort) fühle ich mich wie in die Steinzeit versetzt. Auge um Auge, Zahn um Zahn quasi – aber, wenn ich es Recht bedenke, stammt dieses Zitat dann doch nicht ganz aus der Steinzeit, sondern ist aus einer ganz klein wenig jüngeren Epoche.

Heute startet die ARD die vierteilige Doku-Reihe »Steinzeit – Das Experiment« um 21 Uhr 45. Darin spielen politische Führer mit Massenvernichtungswaffen, erklären sich gegenseitig den Krieg und beschimpfen sich. Das Experiment dabei: Wird die Erde das überleben?

Ach nein, Unsinn. Das ist ja das, was man danach in den »Tagesthemen« zu sehen bekommt. Bin ich doch glatt in der Zeile verrutscht. Entschuldigung.

Montag, 28. Mai

Wenn ich morgens zur Arbeit fahre oder wenn ich – aus welchen Gründen auch sonst, denn da gibt es nicht viele – das Haus verlassen sollte, stehe ich quasi vor zwei Dönerläden mit seltsamen Namen. Der eine türkische Imbiss heißt »Mega Döner«, und dort gibt es gegen einen kleinen finanziellen Aufschlag einen »Mega Döner« mit mehr Fleisch, mehr Soße und mehr Salat. Der andere Dönerladen heißt »Dönerstag« – und jeden Donnerstag bekommt man zu seinem Döner ein Erfrischungsgetränk gratis dazu.

Eigentlich habe ich etwas gegen Wortspiele in den Namen von Ladengeschäften, und besonders bei Friseuren rege ich mich darüber hin und wieder auf und sehe solche vermeintlichen Kreativlinge sehr kritisch: Je vermeintlich lustiger der Name, desto schlechter der Friseur. Einmal habe ich mich bei »Haarmonie« verunschnippeln lassen, dieses Etablissement gibt es zum Glück nicht mehr. Jetzt lasse ich mir schon seit längerem bei »Hair Killer« die Haare, ja, stylen – denn diese Friseurkette hat (so der Slogan) »die Lizenz zum Stylen«. Trotzdem war ich bisher immer einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis.

Bei Dönerläden ist mir ein kreativer Name weitestgehend egal – der Döner bei »Dönerstag« schmeckt nämlich trotzdem sehr, sehr gut.

Heute läuft um 20 Uhr 40 »Kebab Connection« auf Arte.

Dienstag, 29. Mai

Was ist sinnlos? Sinnlos ist es zum Beispiel, sich darüber zu beklagen, wie ach wie schlimm es einem doch gehen würde, wie bitterlich schrecklich die Welt ist und wie viel Pech man in seinem Leben hatte. Heute mache ich mich nach all meinem ganzen Gejammer in letzter Zeit unglaubwürdig und erkläre mich zu einem Optimisten: Die Welt ist gut. Jawohl.

Ab heute höre ich auf, herumzuwinseln und mich in Selbstmitleid zu baden. Alles ist gut. Die Welt ist gut. Und ich – bin natürlich auch super. Ich bin verdammtnochmal zufrieden mit allem, der Welt und mir.

Was jedoch noch sinnloser ist, als mich selbst schlecht zu reden und das, was ich bereits alles erreicht habe, wäre es, die bescheuerte, dämlich und leidlich zu ertragende Komödie »Senseless« um 20 Uhr 15 auf Kabel 1 anzusehen. Dann lieber winseln und in Selbstmitleid baden. Davon hätte man wenigstens noch etwas.

Mittwoch, 30. Mai

Ich bin nicht merkwürdig. Oder bin ich es doch? Eigentlich bin ich vollkommen normal: Ich habe ganz normal oft schlechte Laune (okay, ich habe viel zu oft viel zu schlechte Laune). Ich rede ganz normales Smalltalkzeug (okay, manchmal rede ich übermäßig viel Schwachsinn). Ich bin normal, jawohl – mit kleinen Abstrichen, aber so ist das doch bei jedem Anwärter auf die Staatsauszeichnung für Bürger mit unauffälligem Normalitätsverhalten.

Heute läuft um 20 Uhr 15 »Unglaublich! Die Show der Merkwürdigkeiten« auf RTL.

Und wer hat eigentlich behauptet, dass ich überhaupt normal sein möchte? So ein wenig Irrsinn ist doch, hahaha, hihihi, ganz wunderbar.

Donnerstag, 31. Mai 2007

In meiner Schulzeit hasste ich wie wahrscheinlich viele andere auch das Fach Mathematik. Zahlen! Widerlich. Und noch heute mag ich es nicht, irgend etwas mit Zahlen zu schreiben, ständig denke ich, die Zahlen seien falsch. Und wenn ich Zahlen erfrage, überprüfe ich noch drei, vier, fünf Mal, ob ich mir diese richtig notiert habe.

Sprache ist halt cooler als Ziffern, Zahlen, Grundrechenarten, Wurzelziehen und Kurvendiskussionen. Wer sein Leben lang nur Zahlen vor sich hat, kann irgendwann nicht mehr sprechen, kann irgendwann nur noch grunzen. Und wer nur Buchstaben, Worte, Magazine, Zeitschriften vor sich hat, kann irgendwann ganz einfach nicht mehr rechnen. Das ist eigentlich der einzige Nachteil.

Heute läuft um 22 Uhr 15 die Serie »Numb3rs – Die Logik des Verbrechens«. Ich habe mir noch keine einzige Folge davon angesehen, denn es geht darin, wie schon der Titel sagt, um, jaja, Zahlen.