16.08.07

Till Frommann

Mein Leben mit Massenmedien (VII):
Zur Hölle mit der Realität!

Es ist schlimm, aber wahr: Mein Leben besteht aus Alltag, und mein Alltag besteht aus Massenmedien. Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen, Magazine. Alles. Willkommen bei meiner ganz persönlichen Massenmedienberieselung. Und am Ende gibt es sogar eine Moral – oder nein, das habe ich verwechselt: Am Ende gibt es leider nur etwas Niveauloses, das ich weingetränkt herausgekotzt habe.

Mittwoch, 1. August 2007

Wir Männer sind einfach gestrickt. Aber so einfach, liebes DSF? Heute zeigst Du uns um 20 Uhr »Männer TV« mit höchst wahrscheinlich den üblichen Zutaten: Brüste, schnelle Autos und teure Uhren. Aber nein! Du enttäuschst uns einfach gestrickte Männer. Laut meiner Fernsehzeitschrift geht es heute nämlich stattdessen um die Currywurst.

Um Currywurst! Natürlich. Wir einfach gestrickten Männer lieben nun einmal Fett und einfache, unkomplizierte Nahrung. Eine Wurst. Pommes. Soße drüber. Currypulver. Toll.

Und in der nächsten Woche? Wird es doch hoffentlich um Döner Kebab gehen. Oder um Buletten. Oder Fertigpizza. Irgendwie doch sehr innovativ, dieses »Männer TV« auf DSF.

Donnerstag, 2. August 2007

Hauptsache, ich bin gesund, sage ich mir immer, und wenn es mir noch so beschissen geht. Zu viel Stress? Hauptsache, der Blutzuckerwert ist normal. Traurig und melancholisch? Hauptsache, ich habe keine unheilbare Krankheit. Einsam? Wenigstens bist Du nicht erkältet, sage ich mir dann immer.

Und dann beginne ich, zu husten. Zu niesen. Und die Rotze kriecht mir aus der Nase. Werde ich krank? Gut eigentlich, dass ich im Moment nicht viel Stress habe, dass ich nicht unheilbar krank bin und dass ich nicht einsam bin. Ja, ich kann sogar sagen, dass ich ein einigermaßen glücklicher Möchtergernhypochonder bin.

»Hauptsache gesund« läuft heute um 21 Uhr auf dem MDR. Es geht um die »Hausapotheke Garten«.

Freitag, 3. August 2007

Ach, verdammt. Und wann ist noch gleich ein Mann ein Mann?

Am Mittwoch bin ich in eine Propellermaschine gestiegen, und ich hatte ein ganz klein bisschen Flugangst. Luftloch für Luftloch für Luftloch wurde es ein ganz klein bisschen besser. Nicht zu vergleichen mit einer dieser Nullachtfünfzehntouristenklasseflugmaschinen. Man spürt noch richtig, wie die Thermik gegen den Flieger drückt (oder wie auch immer, ich bin absolut kein Experte, was Physik und den, äh, Zauber des Fliegens anbelangt).

Ich habe nicht gekotzt, aber deshalb bin ich leider noch lange nicht »Der letzte der harten Männer« (Das Vierte, 22 Uhr 15). Wie auch immer: Ach, verdammt.

Samstag, 4. August 2007

Menschen sind seltsam, man kann sie leider nicht alle in einen Topf schmeißen. Seltsam, dass sie alle so verschieden sind. Aber sie sind alle (alle!) seltsam. Sie haben alle (alle!) Macken, manche mehr, manche weniger. Ich mag Menschen, weil sie so seltsam sind und ich die meisten von ihnen nicht verstehe.

Wie denn auch? Ich verstehe ja nicht einmal mich selbst.

Kann es nicht einmal einfach sein im Leben? Kann ich nicht einmal, bitte nur ein einziges Mal etwas verstehen? Wahrscheinlich liegt es daran, dass sowieso niemand irgend etwas wirklich versteht, zum Beispiel den Sinn des Lebens, hat ihn jetzt endlich jemand herausgefunden, ich warte immer noch auf eine Benachrichtigung, vielen Dank, oder die Quantenphysik.

Zurück zu den Menschen. Vielleicht werde ich sie nach dem Konsum von »Menschen – das Magazin« (ZDF, 17 Uhr 45) besser verstehen. Ich fürchte jedoch, dass es dadurch nur noch unverständlicher wird.

Sonntag, 5. August 2007

Es gibt nichts Ekligeres als »Kaffee, Milch und Zucker« (NDR, 23 Uhr 45). Kaffee trinkt man entweder schwarz, was eklig, aber nicht ganz so eklig ist oder (so wie ich ihn trinke) nur mit Milch. Aber wer wird da gleich so dogmatisch sein? Jeder nach seiner Fasson, sage ich immer, jeder nach seiner Fasson.

Und überhaupt trinke ich viel zu viel von dieser schwarzen (oder wie bei mir: hellbraunen) Plörre. Noch eine Tasse und noch eine Tasse und dann vielleicht noch eine weitere Tasse – dieser Zustand zwischen Aufgekratztheit und Müdigkeit ist nicht nur unerträglich für mich, sondern auch für meine Mitmenschen.

Unerträglich wie Kaffee mit Milch und Zucker. In meinem Falle jedoch ohne Zucker, was, wie gesagt, nicht ganz so unerträglich ist – zumindest, was den Geschmack anbelangt. Die Nebenwirkungen sind jedoch ähnlich.

Montag, 6. August 2007

Jetzt werde ich also wieder für ein paar Tage in einer sturmfreien Bude leben, wie man so schön sagt. Ich wohne mit einem Mitbewohner in einer Wohnung, und weil jetzt Urlaubszeit ist, ist er, natürlich, im Urlaub.

Ich nicht.

Ich bin fleißig.

Ich arbeite.

Jetzt bin ich also wieder alleine, aber was ändert das schon an meinem Wohngemeinschaftsalltag? Vom Essverhalten her? Nichts. Ich ernähre mich noch immer von Junkfood, Fertigpizza und anderem Fertigfraß, ob mein Mitbewohner nun da ist oder nicht, dafür ist die Wohnung aufgeräumt, denn ordentlich bin ich, entgegen jeglichem Männerklischee, schon.

Ich bin einer dieser »Männer allein daheim« (Kabel 1, 20 Uhr 15).

Dienstag, 7. August 2007

Es gibt nur das Falsche im Echten oder so ähnlich, aber im Fernsehen gibt es fast nur Falsches, und das Echte – falls es das denn dann doch noch geben sollte – kommt falsch und abgeschmackt rüber. Oder so ähnlich. Aber warum blöd-philosophisch dummdreist schlau tun?

Im Spielfilm »Agent Null Null Nix« (Kabel 1, 20 Uhr 15) spielt Bill Murray einen ahnungslosen Touristen, der denkt, dass er sich in der Inszenierung eines interaktiven Theaterstücks befinden würde – mit Agenten, Terror, Mord und Totschlag. Ist es aber nicht. Ist die Realität, die Wirklichkeit oder was man dafür hält. Ach ja, die Realität. Scheiß doch drauf.

Alles wirkt surreal. Alles wirkt ausgedacht. Aber alles ist Alltag. Armselig, alles.

Mittwoch, 8. August 2007

Zur Hölle mit der Realität!

Ständig versucht das Fernsehen, uns Echtheit vorzugaukeln, zum Beispiel um 14 Uhr auf Pro Sieben bei »We Are Family! So lebt Deutschland«. So lebt Deutschland eben nicht. So sieht lediglich eine inszenierte Wirklichkeit aus.

»Entschuldigen Sie bitte«, könnte der Regisseur eine Protagonistin anpöbeln, »aber könnten Sie bitte ein wenig natürlicher und echter weinen? So nimmt Ihnen das der Zuschauer doch nun wirklich nicht ab.« Zurück auf die Anfangsposition, Ton läuft, Kamera läuft, und weiter geht es. Nicht, dass die Menschen Schauspieler wären, aber natürlich hat der Regisseur eine etwas andere Vorstellung der Wirklichkeit im Kopf, und da muss dann nun einmal leicht korrigiert werden.

Es muss besser als die Realität wirken, viel besser.

Ab 16 Uhr gibt es auf Kabel 1 »Abenteuer Alltag« – womöglich ebenfalls eine inszenierte Wirklichkeit mit Unechtheitszertifikat? Und um 21 Uhr 15 auf RTL: »Unser neues Zuhause«.

Das einzige, was man über die Wahrheit im Fernsehen sagen kann, ist lediglich, dass sie irgendwo da draußen sein muss. Oder auch nicht. Wer weiß das schon so genau. Also nicht einmal das kann ich behaupten. Die Wahrheit versteckt sich aber auch wirklich viel zu gut.

Donnerstag, 9. August 2007

Ich habe Kopfschmerzen, sehr, sehr starke, hämmernde Kopfschmerzen, dabei habe ich gestern überhaupt keine sieben bis neun »Tequila Sunrise« (Vox, 22 Uhr) getrunken. Wenn man Kopfschmerzen hat, spürt man, wie real alles ist. Alles ist so wirklich, so echt, weil man merkt, wie weh die Welt tun kann. Das schmerzt, das drückt, das macht ganz einfach ein ganz großes Aua.

Überhaupt merkt man erst, wie wirklich-wahrhaftig das alles ist, wenn man krank ist und vor Schmerzen schreit und schreit und schreit. Wenn der Schmerz einen daran erinnert, dass das alles kein Spiel (»Existence is only a game«) ist, sondern die traurige, schmerzhafte Wirklichkeit ist.

Wenn die Kopfschmerzen jetzt bitte aufhören könnten? Vielen Dank.

Freitag, 10. August 2007

Und natürlich wird die Welt enger mit jedem Tag, das ist doch überhaupt keine Frage. Und man muss die Welt natürlich nicht verstehen, um unglücklich zu sein. Und um glücklich zu sein erst recht nicht.

Man muss sich immer nur sagen, dass das alles nicht wirklich ist (obwohl man weiß, dass es in Wirklichkeit leider so ist und dass die Existenz kein Spiel ist). Womöglich ist die Realität dann besser auszuhalten. Aber natürlich ist sie das nicht.

You are sleeping, you do not want to believe.

Heute läuft um 23 Uhr 30 auf dem SWR »Der Kuhversteher – Wie man Rindvieh glücklich macht«. Viel wichtiger wäre es, dass ich glücklich werde. Obwohl – eigentlich bin ich es doch. Ich müsste nur die Laufrichtung ändern.

Samstag, 11. August 2007

Als Kind hatte ich noch keinen Alkohol, um mir die Welt schön zu trinken.

Dabei ist sie doch eigentlich schön, die Welt. Ich müsste nur positiver denken. Ich werde es versuchen. Immer wieder.

Und dann läuft »Erdrutsch – Wenn die Welt versinkt« (RTL 2, 20 Uhr 15) im Fernsehen – und schon ist es aus mit dem Positivdenken. Mist.

Sonntag, 12. August 2007

Okay, ich gebe es zu: Wenn ich mit fast einer Flasche Wein intus drei Einträge in dieses Fernsehtagebuch schreibe, kommt nur melancholischer Murks dabei heraus. Beeindruckend finde ich hingegen, dass mir das Tippen immer noch gelingt.

Tipp.

Tipp.

Tipp.

Time is like a dream
And now, for a time, you are mine
Lets hold fast to the dream
That tastes and sparkles like wine

Freitag, Samstag und Sonntag sind nun also auch fast erledigt. Und das mit Wein. Worüber wollte ich noch gleich schreiben? Ach ja, die Realität im Fernsehen und den ganzen anderen Mist. Weshalb muss mich Alkohol nur immer so traurig und nachdenklich machen?

Who knows (who knows)
If its real
Or just something were both dreaming of
What seems like an interlude now
Could be the beginning of love

Also dann: Was ist wahr? Welches Gerücht stimmt? Was ist wirklich? Das herauszufinden ist Aufgabe der »MythBusters« (RTL 2, 17 Uhr), den »Wissensjägern«.

So. Also auch das erledigt. Die Realität im Fernsehen? Gibt es nicht. Reicht das als Fazit? Ja, das muss als Fazit reichen.